amazon-streik-bad-hersfeld-540x304Alle Jahre wieder, so wird auch in diesem Jahr die umsatzstärkste Woche bei Amazon durch die Arbeiterinnen und Arbeiter bestreikt. Gab es im vergangenen Jahr noch die Äußerungen des Amazon Vertriebsleiters, dass die Streiks der Gewerkschafter das Weihnachtsfest der Kinder ruinieren würde, haben sich die Bedingungen für die Beschäftigten im Hinblick auf einen Tarifvertrag und damit auch ein schöneres Weihnachtsfest ihrer Kinder nur leicht verändert. Immerhin konnten die streikenden Arbeiterinnen und Arbeiter bisher ein unter dem Tarif liegendes Weihnachtsgeld, eine Gehaltssteigerung von 8 – 10 %, Entfristungen und bessere Pausenregelungen und dort das Recht auf einen Betriebsrat erkämpfen, wo es einst nur unverbindliche Mitarbeiterforen gab. Aber einen Tarifvertrag lehnt der weltgrößte Onlineversandhändler ab, da es nicht zur Unternehmensphilosophie gehöre, mit Gewerkschaften zu verhandeln.

Eine vorweihnachtliche Stimmung will bei den beschäftigten Arbeiterinnen und Arbeitern jedoch auch dieses Jahr nicht ganz aufkommen, denn hinter jeder der etwa 46 Bestellungen pro Sekunde, die auf der Website von Amazon eingehen, stehen jeweils die Arbeiterinnen und Arbeiter in den verschiedenen Standorten und Logistikzentren, die jede Bestellung unter hohem Zeitdruck abfertigen müssen. Jeder der Warensammler, die sogenannten Picker, legt an einem einzigen Arbeitstag in den fußballfeldergroßen Hallen bis zu 20 Km Laufweg zurück, um die Packer an den Packstationen mit Waren zu beliefern. Die Mitarbeiter stehen dabei durch modernste Technik unter ständiger Überwachung. Stellte der Computer mal einen fünfminütigen Stillstand fest oder brauchte ein Mitarbeiter in der Vergangenheit einmal mehr als fünf Minuten auf einer der spärlich gesäten Toiletten im Logistikzentrum, gab es auch schon mal eine Abmahnung zur Disziplinierung der Arbeiter.

In den USA gab es in der letzten Woche ein Gerichtsurteil, das für die Beschäftigten in Deutschland leider schon sehr lange eine bittere Realität darstellt. Die täglichen Kontrollen durch einen externen Sicherheitsdienst zählen nicht mehr zur Arbeitszeit der Arbeiterinnen und Arbeiter. Deshalb fordert auch Ver.di hier eine Veränderung, denn der permanente Leistungsdruck, die permanente Überwachung und die gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen führen zu einem Krankenstand von bis zu 20 % der Beschäftigten. Die Beschäftigten fordern hinzu noch eine tarifliche Eingruppierung in die Tarife des Einzelhandels, da Amazon als Versandhändler Waren verkaufe. Amazon beruft sich jedoch darauf, nur ein Logistik-Unternehmen zu sein.

Zum Warnstreik im Weihnachtsgeschäft kam nun mit dem Standort Koblenz ein weiteres bestreiktes Zentrum dazu. Nun sind mit Bad Hersfeld, Graben, Leipzig, Rheinberg und Werne insgesamt sechs Standorte in einen gemeinsamen Streik getreten. Bundesweit koordinieren sich nun auch zusätzlich unterschiedliche Solidaritätsnetzwerke aus Arbeitern, Erwerbslosen, Schülern, Studenten und Auszubildenden, um die Beschäftigten in Ihrem Kampf vor Ort zu unterstützen. So zeigte sich die Produktionsmacht der Arbeiter bereits in zahlreichen Blockaden, um die eng optimierten Zeitpläne in der Produktionskette zu unterbrechen. Dabei wurde die Auslieferung der Ware, trotz der Appelle von Amazon selbst, dass es keine Verzögerungen bei der Lieferung gäbe, erheblich gestört. In ihrem Kampf um einen Tarifvertrag, scheuen die Beschäftigten nicht davor zurück, Konflikte mit ihrer Gewerkschaft selbst einzugehen. Während die Gewerkschaft oftmals in ihrer Standortlogik verhaftet, zwischen den Interessen des Betriebs und der nicht streikenden Arbeiter auf der einen Seite und dem kämpferischen Teil auf der anderen Seite, wie auf einem zweischneidigen Schwert hin und her tanzt, wird den kämpfenden Teilen der Arbeiterinnen und Arbeiter bewusst: der Kampf gegen diesen Riesen ist nur zu gewinnen, wenn er ihm auch weh tut.

Niko Michael Henes