Kaum eine Gewerkschaft in Deutschland kann sich mit den Massen messen, die die IG Metall in ihrer Tarifrunde zur Metall – und Elektroindustrie auf die Straßen gebracht hat. Jedes mal gehen die Arbeiter und Angestellten der Branche zu Tausenden vor ihre Werke und streiken, damit sie mit mehr Lohn aus den jeweiligen Verhandlungen kommen. Doch trotz der Kraft, die die IG Metall mit ihren Mitgliedern und den Beschäftigten in ihrer Branche hat, stand sie in den letzten Jahren auch immer wieder in der Kritik. Denn in den letzten Jahren ist die Gewerkschaft nicht bis an ihre Grenzen gegangen, um alle ihre Forderungen durchzusetzen. Statt ganztägigen Streiks blieb es immer wieder bei kurzen Warnstreiks, bei denen man lediglich die Drohung einer ganztägigen Arbeitsniederlegung aussprach. Nach Jahrzehnten hat die Gewerkschaft nun endlich zu einem ganztägigen Warnstreik ausgerufen und ist nach einer wochenlangen Verhandlungszeit zu einem Ergebnis gekommen.Um die Ergebnisse der Tarifrunde der IG Metall in der Metall – und Elektroindustrie zu besprechen, haben wir uns mit Sandra Jaupi, der Vorsitzenden der Jugend und Auszubildendenvertretung (JAV) bei BMW, getroffen.

Was für Forderungen hat die IG Metall konkret gestellt und mit welchen Ergebnissen ist sie im Endeffekt aus den Tarifverhandlungen herausgegangen?

Wir haben im Grundsatz 6% mehr Entgelt gefordert und eine verkürzte Vollzeit. Also dass man auf die 28-Stunden-Woche zurückgreifen kann mit einem Rückkehrrecht in die Vollzeit. Die Forderung der Arbeitszeitverkürzung ist speziell auf drei Themengebiete aufgeteilt, die Erziehung der Kinder, die Pflege naher Angehöriger und bei eigenen gesundheitlichen Problemen für Schwerbelastete, wie beispielsweise Mitarbeiter in der Montage. Für die Azubis und die Jugend hatten wir die Forderung der Freistellung vor jeder Prüfung. Angedacht waren je ein Tag vor jeder Abschlussprüfung wie Praxis-, Theorie- und die mündliche Prüfung. Somit kommt man auf insgesamt sechs Tage, in denen man einfach mal runterkommen und abschalten können soll. Denn es macht wenig Sinn, ein Tag vorher noch in der Werkstatt oder im Büro zu stehen und irgendwas anderes zu machen, weil man mit dem Kopf nicht wirklich dort ist, sondern bereits bei der Prüfung.

Bist du zufrieden mit dem Ergebnis?

Das jetzige Ergebnis ist sehr gut. Wir haben 4,3% erzielen können. Allerdings haben wir nicht nur die 4,3% mehr Gehalt, die wir ab April bekommen. Auch bis April gehen wir nicht leer aus. Wir bekommen eine Einmalzahlung von 100€, für die Azubis 70€. Dann gibt es noch die 27,5% eines Monatslohns, diese kommen dann ab 2019. Diese kann man sich übrigens auch in freie Arbeitstage umtauschen. Also entweder man nimmt das Geld oder sich insgesamt sechs Tage frei. Und zusätzlich gibt es für Pflege von Angehörigen, Erziehung von Kindern oder Belastung am Arbeitsplatz noch zusätzlich zwei Tage drauf, die der Arbeitgeber bezahlen muss.

Diese Ergebnisse wurden in Baden-Württemberg verhandelt und danach kam es auch zu den Verhandlungen in Bayern, wo es auch mit kleinen Änderungen übernommen wurde. Diese sind sehr positiv für uns, denn für die Azubis und Jungarbeiter haben wir drei zusätzliche freie Tage bekommen. Das ist speziell für Großfirmen wie BMW gut, da wir bereits ein gelebtes System zu den Prüfungen haben, bei dem die Azubis einen Tag vor der Theorieprüfung frei bekommen. Man schreibt jedoch zwei Theorieprüfungen, einmal zur Zwischenprüfung und einmal zur Abschlussprüfung. Also hätten wir bei dem jetzigen Stand nicht viel gespürt, wenn es bei nur den zwei Tagen aus dem Pilotabschluss geblieben wäre. Jetzt haben wir etwas Greifbares für Azubis.

Die Streiks sind nun um und die Gewerkschaft und die Betriebsräte haben hunderttausende Arbeiter und Angestellte bundesweit vor die Werke und auf die Straßen gebracht. Die Stimmung war sehr gut. Wie kommt das Ergebnis nun bei den Leuten an?

In Bayern ist das Ergebnis erst später übernommen worden, als in Baden-Württemberg. Wir sind gerade noch dabei, die Ergebnisse vorzustellen. Jetzt gerade sind wir dabei, einen kleinen Flyer zu erstellen und machen nebenbei noch Auszubildenden- und Vertrauenskörper-Runden. Diese Gesprächsrunden spielen eine wichtige und wesentliche Rolle bei der Kommunikation mit den Azubis.

Bei uns im Betrieb ist die Stimmung sehr gut und ich glaube es sind alle auch etwas erleichtert, dass wir jetzt eine Einigung haben. Schließlich ist es auch sehr viel Stress, Streiks und Warnstreiks zu planen und zu organisieren und man will ja auch nicht unbedingt länger kämpfen, wenn es nicht sein muss. Ich glaube, mit den 24–Stunden Streiks haben wir auch ein ganz gutes Statement abgegeben. Das war auch nötig finde ich, es ist wichtig dass sich da auch was bewegt und dass das nicht immer eine Verhandlung ist, die man in drei, vier „treffen“ klärt und dann löst.

Ansonsten ist die Stimmung eigentlich sehr ausgelassen und gut. Ich glaube, wenn wir jetzt die Ergebnisse noch richtig erklären, wird das noch besser, weil die Leute dann verstehen, was da herausgekommen ist. Ich glaube, viele können den Umfang zur Zeit noch gar nicht so richtig begreifen und abschätzen. Die sehen jetzt nur 4,3% und 70€ Einmalzahlung für Azubis. Was letztendlich herausgekommen ist und zu erklären, was das konkret bedeutet, ist jetzt unser Job als Interessensvertreter.

Bei vielen Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen haben wir festgestellt, dass die Meisten bereit sind, bis zum letzten zu streiken? Wie war die Stimmung bei euch?

Streikbereit auf jeden Fall. Auch dadurch, dass der 24-Stundenstreik nicht nur dieses sture in der Kälte rumstehen war, sondern wir auch verschiedene Aktionen geplant hatten, wurde es spannend. Wir haben die Azubis gepusht und aufgeklärt. Letztendlich war jedem klar „Jetzt oder nie! Und wenn das jetzt nicht funktioniert, müssen wir den Laden halt komplett dicht machen!“