Jeder zehnte Hartz IVMensch in Deutschland ist von Armut gefährdet, so eine aktuelle Studie. Demzufolge wären vor allem Erwerbslose in Deutschland davon betroffen. Zur selben Zeit beschließt die Bundesregierung Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger.

Vor allem seit der Krise im Jahre 2008 wird deutlich, dass immer weniger Menschen eine Vollzeitstelle haben und es immer häufiger sogenannte „Erwerbsarme“ in Deutschland gibt, d.h. Menschen, die trotz Arbeit auf stattliche Unterstützung angewiesen sind.

Laut einer neuen Studie der Internationalen Arbeiterorganisation (ILO), die in Genf vorgestellt wurde, leben im Durchschnitt 17,2 % der EU Bevölkerung in Armut. In Deutschland sind es 16%, die als arm gelten. Demnach lebt jeder Zehnte in Deutschland in Armut. Als arm gelten diejenigen, die (teilweise trotz staatlicher Hilfeleistungen) mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens des jeweiligen Landes auskommen müssen.
Diese Studie müsste vor allem bei der Politik als Warnsignal ankommen. Doch  stattdessen werden neue Gesetze verabschiedet, die die Armut in Deutschland befestigen. Betroffen von Kürzungen und Reformen sind natürlich nicht diejenigen, denen es sowieso „gut geht“. Nein, es sind Menschen die schon am Existenzminimum leben.

Nun folgen Neuregelungen zum Hartz-IV-Gesetz. Diese sind in einem Gesetzentwurf zur Hartz IV Reform von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles enthalten.

Demzufolge sollen Hartz-IV-Empfänger künftig länger als zuvor einem Ein-Euro-Job nachgehen und leichter in die Frührente geschickt werden können. Aber auch Alleinerziehende sind von diesem neuen Gesetz betroffen.
Angeblich sollen diese Regelungen zur „Rechtsvereinfachung“ dienen, doch in Wirklichkeit ist dies nichts anderes als Repression. Denn durch solche Regelungen werden Hartz-IV-Leistungen weder einfacher noch gerechter.
Bei einem genaueren Blick wird deutlich, dass Menschen, die sowieso knapp am Existenzminimum leben, immer tiefer in die Armut geraten. Die Armutsquote unter Erwerbslosen ist in den vergangenen Jahren rasant gestiegen. Das Armutsrisiko ist bei in dieser Gruppe dreimal höher, als im Bundesdurchschnitt. War 2010 jeder zweite Arbeitslose von Armut bedroht, sind es laut der neuen Studie 67% die trotz staatlicher Leistung in Armut leben.

Nun ist es nicht so, dass Harzt-IV-Empfänger nicht jetzt schon unter massiven Repressionen und unter Regelungen leiden, die menschenunwürdig sind: die Sanktionierungspraxis, die Überwachung, der Zwang in unerwünschte Arbeitsverhältnisse und Maßnahmen, das Aufzwingen sogenannter Eingliederungsvereinbarungen, das Verbot, die Wohnung ohne Erlaubnis zu wechseln und vieles mehr. Es gibt hunderttausende Menschen, die Ungerechtigkeit, Armut und Perspektivlosigkeit durch Hartz IV erfahren haben. 2015 wurden fast eine Million Hartz-IV-Empfänger über mehrere Monate sanktioniert, 170 Millionen Euro behielten Jobcenter so im vergangenen Jahr ein. Und viele dieser Sanktionen waren  nicht rechtmäßig. Es ist ein System, das ohne Nachsicht Fehler seiner Bezieher bestraft und Opfer kriminalisiert.

Die aktuellen Neuregelungen passieren ganz still im hinteren Kämmerchen, wenige Medien berichteten darüber, doch für Betroffene bringt es Ängste und Besorgnisse mit sich: Hartz-IV-Empfänger sollen nun ganz vereinfacht gezwungen werden können, vorzeitig mit 63 in Rente zu gehen und dabei Abschläge hinzunehmen. Falls diese nicht  freiwillig zu ihrem 63. Geburtstag mit lebenslangen Abzügen in Rente gehen, sollen ihnen die Jobcenter als Druckmittel die Leistungen streichen dürfen. Da sich das Renteneintrittsalter auf 67 Jahre erhöhen wird, werden die Abschläge in Zukunft noch schmerzhafter werden.

Auch die Neuregelung des Ein-Euro-Jobs ist erschreckend. Dauerbezieher von Hartz IV könnten bald weit länger als bisher Ein-Euro-Jobs verrichten. Und wer meint, dass das beziehen der Harzt-IV-Leistungen nur eine Übergangsphase sei, der täuscht sich. Fast 80 Prozent aller Empfänger sind nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit länger als ein Jahr im Leistungsbezug. Fast die Hälfte ist mehr als vier Jahre bedürftig. Derzeit dürfen Betroffene innerhalb von fünf Jahren nicht länger als insgesamt 24 Monate einen Ein-Euro-Jobs ausüben. Künftig sollen solche Arbeitsgelegenheiten immer wieder verlängert werden können, wenn die Betroffene innerhalb der letzten zehn Jahre insgesamt neun Jahre die Grundsicherung für Arbeitsuchende bekommen haben. Insgesamt hätten bis zu 400.000 der gut eine Million Langzeitarbeitslosen nur geringe Chancen, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Die Zahl der geförderten Jobs für Langzeitarbeitslose sank in den vergangenen zwei Jahren von knapp 140.000 auf unter 90.000, zumeist Ein-Euro-Jobs.

Dass Ein-Euro-Jobs ihr eigentliches Ziel -und zwar die Wiedereingliederung ins Berufsleben-  fatal verfehlt haben, ist mittlerweile allen klar geworden. Und besonders unterliegen  Ein-Euro-Jobs nicht dem Arbeitsrecht.

Die Änderungen bezüglich Alleinerziehenden sieht genauso düster aus: Für die Zeit, die die Kinder beim umgangsberechtigten Elternteil verbringen, soll ihnen Geld abgezogen werden: Pro Tag und Kind sind das zwischen 7,90 und 10,20 Euro.

Die Neuregelungen sorgen zwar für große Sorgen bei der Opposition und den Gewerkschaften, bewegen tut sich das jedoch nichts. Die sogenannte Rechtsvereinfachung entpuppt sich immer mehr als Repressionsverschärfung, lediglich hört man nur diese Kritik und dabei bleibt es auch.

Es ist nun an der Zeit, dass die Politik sich verändert. Dass jeder Zehnte in Deutschland in Armut lebt, ist nun ein weiterer Schandfleck. Doch ändert sich die Politik nicht, im Gegenteil. Neue Gesetzte und Reformen werden verabschiedet, die gerade den Menschen schaden, die tagtäglich mit Armut zu kämpfen haben. Dies wird auch deutlich daran, dass etwa 1,5 Millionen Menschen  in Deutschland auf Tafeln angewiesen sind und die Zahl der Flaschensammler mit jedem Tag weiter steigt.

Tugba Bakirci