Der nach eigenen Angaben „größten türkischen Zivilorganisation Deutschlands“ DITIB mangelt es weiterhin an demokratischem Verständnis. In einer überstürzt durchgeführten außerordentlichen Vollversammlung wurde ein Bundesvorstand installiert. Dieser besteht fast ausschließlich aus Theologen vom „Präsidium für Religionsangelegenheiten“, welches eine staatliche Einrichtung zur Verwaltung religiöser Angelegenheiten in der Türkei ist.

Bereits seit einigen Jahren beschäftigt sich der öffentliche Diskurs immer wieder damit, inwiefern der Dachverband Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V.  (DITIB), welcher de facto als verlängerter Arm des staatlichen „Präsidium für Religionsangelegenheiten“ der Türkei gilt, eine staatlich unabhängige zivilgesellschaftliche Organisation sein soll. Mit der kürzlich durchgeführten außerordentlichen Vollversammlung wurde erneut deutlich, dass die seit Jahren als „größte türkische Zivilorganisation Deutschlands“ geltende  Vereinigung und ihre Vorstände in Wirklichkeit als inoffizielle Staatsorgane handeln. Es ist inzwischen Brauch, dass der Vorsitzende der Ditib gleichzeitig als Berater für Religionsangelegenheiten in der türkischen Botschaft fungiert, so auch der ehemalige Vorstandsvorsitzende Prof. Ali Dere. Dere, der für die Auslandsvertretung des „Präsidium für Religionsangelegenheiten“ verantwortlich ist, wurde während der Amtszeit des vorhergehenden Beraters für Religionsangelegenheiten der türkischen Botschaft, Sadi Arslan, in den Vorstand der Ditib erhoben. Dere übernahm nach Arslans vierjähriger Amtszeit dessen Tätigkeit in der Botschaft und übernahm zeitgleich den Vorsitz der Ditib.

Vorstandsvorsitzender aus Frankreich importiert

Während der am 7. Oktober in einem Kölner Hotel durchgeführten außerordentlichen Vollversammlung fiel besonders auf, dass nur sehr wenige Mitglieder des ehemaligen Vorstandes aber vor allem Theologen aus dem Ausland in den Bundesvorstand gewählt wurden. Die Ditib, welche Teilnehmer des „Deutschen Integrationsgipfels“ und der „Deutschen Islamkonferenz“, sowie Ansprechpartner der Bundesregierung für die „türkische Community“ ist, liess ihren neuen Vorstandsvorsitzenden, Prof. Izzet Er, aus Frankreich importieren. Er war zuvor Berater für Religionsangelegenheiten der türkischen Botschaft in Frankreich. Prof. Er, der für solch eine bedeutende Aufgabe nicht bereit einmal zur außerordentlichen Sitzung persönlich erschien, wurde in seiner Abwesenheit zum Vorsitzenden ernannt. Zum stellvertretenden Vorsitzenden wurde der in Belgien lebende Prof. Dr. Halife Keskin ernannt. Keskin war zuvor ebenfalls als Berater für Religionsangelegenheiten der türkischen Botschaft in Belgien tätig. Eine so große zivilgesellschaftliche Organisation, an die 120 000 Mitglieder und 890 Moscheen verfügt, setzt zwei Funktionäre an die Spitze, welche weder Verbandsmitglieder, noch mit den Arbeiten der Organisation vertraut sind, noch nicht einmal in Land leben, in dem der Verband angesiedelt ist.

Darüber hinaus ist Suat Okuyan, vom Präsidium für Religionsangelegenheiten in der Türkei in die Ditib versetzt worden. Er bekleidet nun das Amt des Generalsekretärs. Der langjährige Pressesprecher und Beauftragte für interreligiösen Dialog wurde zum stellvertretenden Sekretär ernannt.

„Staatliche Religionsgemeinschaft“?

Die Ditib, welche laut eigenen Angaben die sozialen und religiösen Bedürfnisse und Sorgen von türkischen Migranten anspricht und ihre hauptamtlichen Mitglieder aus Steuergeldern finanziert, erinnert nicht nur mit ihrer Arbeitsweise, sondern auch ihrem Aufbau nach, viel mehr einer Staatsorganisation, als einem unabhängigen zivilgesellschaftlichem Verband. Selbst wenn die Türkei ihrer Bezeichnung nach „ein sozialer, laizistischer Rechtsstaat“ sein mag, so ist die Ditib in Deutschland im vollen Umfang eine „staatliche Religionsgemeinschaft“, welche auch dementsprechend  ausgestattet wird.

Je nachdem, welche staatlichen Parteien ihre Interessen in der Türkei durchsetzen, werden die Kader der Ditib in Deutschland entsprechend besetzt. Somit werden die sozialen und religiösen Interessen der türkischen Migranten in Deutschland Spielball politischer und sozialer Interessenskonflikte in der Türkei.

Deutschland weiß bescheid

Darüber hinaus wird offensichtlich, dass Ditib eine Organisation ist, deren primärer Zweck es ist, die Ansichten der Türkei über den „Sunnitischen Islam“ verschleiert in Deutschland durchzusetzen und zu verbreiten. Dies beweisen insbesondere die sozialen und wirtschaftlichen Positionierungen der Ditib. Trotzdessen betrachtet die Bundesregierung diese „zivilgesellschaftliche Organisation“ als Ansprechpartner zu Fragen der Religion und Integration. Die 1982 in Deutschland gegründete Organisation hat seither die ihr aufgetragenen Aufgaben, die sozialen und religiösen Ansichten des türkischen Staates unter türkischen Migranten zu verbreiten, zur vollsten Zufriedenheit der Türkei ausgeführt. Aus diesem Grund wird alles nötige dafür getan, damit die Ditib weiterhin de facto, wenn auch inoffiziell ein Staatsorgan der Türkei bleibt. Die aktuelle Umstrukturierung des Bundesvorstandes der Ditib kann deshalb als Machtdemonstration aus Ankara gesehen werden. Wo bislang peinlich genau darauf geachtet wurde, dass die Mehrheit der Ditib-Vorstandsmitglieder zumindest keine direkte Verbindung zum  „Präsidium für Religionsangelegenheiten“ der Türkei hatten, fällt auf, dass fünf von sieben Vorstandsmitgliedern ehemalige oder aktuelle Präsidiumsmitarbeiter sind. Erwähnenswert ist hierbei auch, dass Ditib 600 Imame aus der Türkei in ihren Moscheen beschäftigt. In Anbetracht dieser Tatsachen fällt es schwer, zu glauben, dass es sich bei der Ditib um eine zivilgesellschaftliche Organisation handelt, welche nach deutschem Vereinsrecht agiert.

„DITIB brüskiert Köln“

Viel Kritik und Unbehagen, wie die Ditib mit dem Kölner Beirat und den Lokalpolitikern umgeht, die sie vor allem bei dem Bau der Moschee in Köln unterstützen, ist sehr groß. „Das Vorgehen der DITIB ist ärgerlich und unprofessionell“, so Beiratsmitglied und Ex-Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU). „Ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass die DITIB den Beirat gar nicht will. Ich kann die DITIB nur warnen, die freundschaftliche Unterstützung des Beirats als Vertreter der Bevölkerung aufs Spiel zu setzen.“ Ehrenfelds Bürgermeister Jupp Wirges (SPD) vermutete aufgrund der ungewöhnlichen Vorgangsweise einen Politikwechsel. „Kontinuierliche Arbeit für das Projekt wird so unmöglich gemacht. Es wäre schön, so etwas nicht aus der Zeitung zu erfahren“, ergänzte der FDP-Fraktionschef im Stadtrat, Ralph Sterck.

Ali Candemir

[box type=“info“ head=“DITIB-Anfrage in der türkischen „Großen Nationalversammlung““]

Der Abgeordnete der kemalistischen CHP, Atilla Kart, trug die finanziellen Ungereimtheiten auf Moschee-Baustellen der DITIB in Deutschland, welche zu einer Explosion von Baukosten führten, in die Große Nationalversammlung der Türkei. Kart forderte Vize-Premierminister und Verantwortlichen für die im Ausland lebenden Türken, Bekir Bozdağ, dazu auf, bisher ungeklärte Fragen zur DITIB schriftlich zu beantworten. In der Anfrage von Kart geht es insbesondere um den Diebstahl von 290 kg Gold aus der Baustelle der DITIB-Zentralmoschee in Köln. Obwohl der Diebstahl von der türkischen Regierung bestätigt wurde, gab es noch keine Untersuchung des Falls.

Die Anfrage thematisiert insbesondere die Verantwortlichkeit vom ehemaligen DITIB-Vorsitzenden  Prof. Dr. Ali Dere, sowie Orhan Bilen, welcher die Verantwortung für Bauleitung und –personal hatte. Ebenso war Bilen damit beauftragt, für den Bau der Moschee vorbereitend Firmen zu gründen, welche die Moschee bauen sollten. Der Verdacht, dass sich DITIB somit unrechtmäßig selbst bereicherte, verhärtet sich immer mehr. Auch der neu gewählte Bundesvorstand der DITIB kann den ehemaligen Vorstand von den Vorwürfen nicht entlasten. Kart fordert Klarheit zu diesen Anschuldigungen.

Kart erklärte im Rahmen seiner Anfrage: „ So wie es aussieht, wurden die Täter bislang nicht erwischt, weil nicht nach Verantwortlichen, die entweder grob fahrlässig handelten oder am Raub beteiligt waren, ermittelt wurde. Damit ist es nicht verwunderlich, dass der Verdacht entstanden ist, dass der Überfall in Verbindung mit der Aufgabenverteilung innerhalb des Verbandes steht. Es ist öffentlich geworden, dass die Regierung diese Verbandsstrukturen stützte. Das stiftet sowohl Verwirrung als auch Ärger bei denjenigen Bürgern, die für den Bau der Moschee spendeten. Es erhärtet sich der Verdacht, dass diese Bürger von der DITIB bösartig ausgenommen wurden und das mit staatlicher Unterstützung.“[/box]