Was blieb vom neo-osmanischen Traum von einer regionalen Führungsmacht zurück? Die Herrschenden waren nach eigenen Angaben mit dem Ziel an den Start gegangen, die ganze Region zu beherrschen, was auch dem Expansionswunsch der türkischen Bourgeoisie und ihrer reaktionärsten Teile entsprach. Jetzt sind sie damit beschäftigt, ihre bestehenden Grenzen zu schützen. Einerseits bedroht der IS, der im Zuge der Interventionspolitik in Syrien und Rojava eingesetzt wurde, die Grenzsicherheit. Andererseits wuchs die PYD zu einem der größten Angstgegner bei einer Politik heran, die den Krieg in der kurdischen Frage als einzigen Lösungsweg betrachtet und damit die PYD zum Gegenstand der Innenpolitik machte.

Jetzt, wo Davutoğlu und seine „strategische Tiefe“ nicht mehr gefragt sind, hat das in der Region gescheiterte AKP- bzw. Erdoğan-Regime den Blick auf Afrika gerichtet. Der geplatzte Traum der türkischen Bourgeoisie, vom Kuchen im Nahen Osten ein großes Stück abzubekommen, soll im heiß umkämpften Afrika weiterverfolgt werden. Damit sollen zudem die vereinsamten Herrschenden neue Partnerschaften erschließen. Deshalb tourt Erdoğan seit März durch den afrikanischen Kontinent. Der Vorsitzende des Türkischen Bauunternehmerverbands, der der Reisedelegation Erdoğans angehört, erklärte nach dem Besuch in Uganda, Kenia und Somalia, die türkische Bauindustrie habe in den letzten zwei Jahren große Verluste erlitten und verspreche sich von dem neuen Engagement in Afrika hohe Gewinne.

Die Diktatoren vom Sudan und Uganda sind passende politische Partner für Erdoğan, der von einem eigenen diktatorischen Regime träumt, das er als „Präsidialsystem á la Turk“ tituliert. Sicherlich ist das Interesse der Türkei an Afrika nicht neu. Bereits in der Vergangenheit widmete sich die AKP bei ihren Bestrebungen nach Regionalführung Afrika und damals zunächst den islamischen Ländern auf dem Kontinent. Erdoğan erklärte das Jahr 2005 zum „Afrika-Jahr“. Seitdem stieg die Zahl der türkischen Botschaften in Afrika von 12 auf 39. Er gab letzte Woche in Somalia das Ziel aus, in kurzer Zeit in sämtlichen 54 Ländern Afrikas mit einer Botschaft vertreten zu sein. Die staatliche Airline fliegt inzwischen 28 Länder an. Und auch das Engagement von staatlichen Entwicklungshilfe- oder AKP-nahen Hilfsorganisationen wächst immer weiter.

Die Türkei steht mit ihrem Interesse an Afrika nicht alleine da. Die USA, Frankreich und Großbritannien haben auf dem „Schwarzen Kontinent“ zahlreiche Militärstützpunkte und auch Wirtschaftsbeziehungen. China, Indien, Brasilien, der Iran und weitere Länder möchten sich dort ebenfalls stärker engagieren, um für sich neue Märkte zu erschließen. Vor diesem Hintergrund ist es wohl überflüssig zu unterstreichen, dass die Türkei angesichts der konkurrierenden imperialistischen Mächte keine Aussicht auf die Führungsrolle hat. Die Türkei konnte ihr Handelsvolumen mit afrikanischen Ländern in den letzten Jahren zwar versechsfachen. Mit ca. 9 Mrd. US-Dollar liegt der Handel jedoch weit hinter dem Handel mit z.B. Rußland (aktuell 30 Mrd. Dollar) zurück.

Der Aufbau neuer Stützpunkte, der Kampf um Marktanteile und der damit einhergehende eskalierende islamistische Terror machen deutlich, dass dem „Schwarzen Kontinent“ eine schwierige Zeit bevorsteht. Dass das steigende Interesse des AKP- bzw. Erdoğan-Regimes für die Völker dort nichts Gutes verheißt, ist offensichtlich. Ein Blick auf seine Taten im Nahen Osten, lässt erahnen, wozu dieses Interesse führen dürfte!