Für den 23. Januar sind in der Hauptstadt Kasachstans, Astana, Gespräche über die politische Lösung des Kriegs in Syrien geplant. Der Plan lässt die Frage aufkommen, ob es zu einer „neuen Genfer Runde“ kommen soll. Denn während die Erwartungen an den Gipfel, zu dem Russland, die Türkei und der Iran eingeladen haben, sehr hoch gesteckt sind, gibt es noch vor Beginn der Gespräche erbitterte Diskussionen. Deshalb fragen sich viele, ob die Gespräche denn auch wirklich zu einem Ergebnis führen werden. Und deshalb ist die Frage, ob auch die Treffen von Astana wie zuvor 2012, 2014 und 2016 von Genf ergebnislos bleiben werden, mehr als verständlich.

Das wichtigste Dilemma im Vorfeld des Astana-Gipfels liegt in den schlechten Beziehungen der Garatiemächte Iran und Türkei bzw. in deren gegenseitigen Schuldzuweisungen. Der Iran tritt bei den Gesprächen, an denen das syrische Regime und „oppositionelle“ Gruppe beteiligt werden sollen, als Garantiemacht des Regimes und der schiitischen Milizen auf. Der Türkei fällt die Rolle der Garantiemacht der sunnitischen Gruppen zu. Beide Länder werfen sich jedoch gegenseitig die Nichteinhaltung der Feuerpause vor. Der türkische Außenminister Çavuşoğlu fordert vom Iran, bei den schiitischen Milizen zu intervenieren und die Einhaltung der Feuerpause durchzusetzen. Dagegen forderte der Sprecher des iranischen Außenministeriums von der Türkei, ihre Rolle als Garantiemacht zu spielen und die Verstöße der sunnitischen Gruppen gegen die Feuerpause zu unterbinden.

Ein weiteres Dilemma liegt in der Frage, welche Gruppen zum Gipfel eingeladen werden. Die Parteien konnten in dieser Frage keine Einigkeit erzielen. Der Staatspräsident Erdoğan wünscht sich die Beteiligung Saudi Arabiens an den Gesprächen. Die USA, deren Einfluss in Syrien hinter denen Russlands geriet, erklärten, sie hätten noch keine Einladung bekommen.

Das größte Dilemma liegt jedoch in der Entscheidung, die Demokratischen Kräfte in Syrien [DKS] und die PYD als deren Mitglied an den Gesprächen nicht zu beteiligen. Diese Entscheidung dürfte jedoch dazu führen, dass der Gipfel wie die Genfer Gespräche ohne Ergebnis bleibt. Nach der Rückeroberung von Aleppo wurden die „oppositionellen Kräfte“ in die Nähe von Idlib zurückgedrängt und erlitten auch im Hinblick auf das Mitspracherecht im Land große Verluste. Deshalb kann man von zwei Kräften sprechen, die im künftigen Entscheidungsprozess übrig geblieben sind: das Regime und die PYD-DKS-Kräfte, die in Rojava und den anderen nördlichen Landesteilen mit ihren Kantonregierungen an der Macht sind. Ohne ihre Beteiligung kann man von einem Gipfel keine Lösung erwarten.

Der Außenminister Çavuşoğlu schließt eine Einladung der PYD nach Astana definitiv aus. Aus Russland und dem Iran gab es bisher kein Dementi. In der Frage der kurdischen Beteiligung sieht man, dass die USA und Russland eine andere Haltung als in Genf einnehmen. Russland war in Genf für eine Einladung der Kurden, in Astana besteht sie jedoch nicht darauf. Und die USA, die die PYD in Genf nicht dabei haben wollten, pochen jetzt auf einer kurdischen Beteiligung in Astana.

Abschließend ein paar Worte zu der Erklärung des PYD-Co-Vorsitzenden Salih Müslim. Im Interview mit dem Online-Portal Sputnik antwortete er auf eine Frage bezüglich der Feuerpause: „Warum wir hier nicht einbezogen werden, ist vielleicht damit zu erklären, dass sich die Urheber des Waffenstillstands nicht im Krieg gegen uns befinden.“ Diese Antwort gibt uns auch Hinweise auf die Spekulationen Russlands.

Russland führt einerseits in Astana Gespräche mit den von der Türkei unterstützten „Oppositionskräften“ und andererseits in Syrien mit den Kurden. Laut Agenturmeldungen kam es jüngst in einem russischen Stützpunk in Syrien zu Gesprächen mit Vertretern der Kurden, darunter auch Salih Muslim. Und Vertreter des russischen Außenministeriums erklären, dass es eine politische Lösung ohne Kurden nicht geben kann. Der Astana-Gipfel soll also aus russischer Sicht hauptsächlich dazu dienen, die Türkei und die von ihr unterstützte „Opposition“ auf ihre eigene Linie zu ziehen. Eine vermeintlich angestrebte „Lösung“ spielt eher eine hintergründige Rolle. Die Türkei, die auf dem Ausschluss der kurdischen Seite aus dem Verhandlungsprozess beharrt, tut sich damit keinen Gefallen.