nolympiaDie Bürgerschaft hat sich entschieden: Mit einer „ergebnisoffenen Studie“ wollen SPD, CDU, Grüne und FDP Chancen und Risiken von olympischen Sommerspielen in Hamburg ausloten lassen. Das Ziel ist ambitioniert: Nachdem die FDP im Februar dieses Jahres einen Vorstoß für die Austragung der Spiele 2024 wagte und sich selbst die SPD wegen des Zeitdrucks skeptisch zeigte, werden jetzt die Zügel angezogen. Durch Handelskammer und Wirtschaftslobby, versteht sich. Denn: Von Olympia profitieren neben dem korrupten und intransparenten IOC vor allem Großunternehmen und Hotelbesitzer, während die milliardenschweren Kosten den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern aufgebürdet werden. Also eine klassische Win-Win-Situation für Handelskammer & Co., wie wir sie bisher aus den Zockereien von Banken kennen.

Obwohl ein umfangreicher Katalog zu prüfender Aspekte vorgelegt wird, räumen die Autorinnen und Autoren des Antrages selbst ein, dass „der Prüf- und Beteiligungsprozess in zeitlicher Hinsicht äußerst ambitioniert“ sei und „nicht alle der u.g. Fragestellungen [sich] bis zum Herbst 2014 klären lassen“ werden. Dass eine solche Studie zudem ohne externe Fachkräfte auskommen und auch aus je zwei Vertretern der antragsstellenden Fraktionen bestehen soll, macht wenig Hoffnung auf eine objektive Analyse. Unabhängig ist die Studie ohnehin nicht, da sie von SPD-geführten Behörden erarbeitet werden soll.

Obwohl die antragstellenden Fraktionen die Bewerbung Hamburgs unter Vorbehalt stellen, dass a) nachhaltige und tiefgreifende Reformen des IOC bzw. der Olympia-Regularien und b) ein Referendum stattfinden, wird nicht klar, welchen objektiven Sinn eine solche Studie hat, die sich an den derzeitigen Anforderungen des IOC orientiert. Schließlich reicht ein Blick auf Olympische Spiele anderswo, um zu registrieren, dass sich so etwas negativ auf Hamburg auswirken wird. Denn überall, wo die Heuschrecke Olympia bisher durchgezogen ist, hinterließ sie Chaos in Form von milliardenschweren Schulden, Gentrifizierung und Umweltschäden.

Vor dem Hintergrund der Schuldenbremse in Hamburg, die einzig DIE LINKE ablehnt, wäre die Austragung Olympischer Spiele ein finanzielles Desaster, welches Hamburg an den Rand der Insolvenz treiben und zwangsläufig zu Kürzungen in der sozialen Infrastruktur führen würde.

Die Regeln beschließt nicht die Bürgerschaft, sondern das IOC

Denn ohnehin diktiert das IOC die Regeln: Es zwingt die Ausrichter mit rechtlich fragwürdigen Knebelverträgen (sogenannte Host-City-Contracts), fast sämtliche Kosten zu tragen, während es die Profite selbst abschöpft. Nicht umsonst ist Olympia als eingetragene Marke mit 47,6 Milliarden US-Dollar das zweitwertvollste „Unternehmen“ der Welt und damit sogar wertvoller als der Internetgigant Google. Unter diesen Voraussetzungen eine Bewerbung zu prüfen, grenzt daher mindestens an Fahrlässigkeit, wenn nicht gar an Veruntreuung von Steuergeldern.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Hoffnung, dass mit Thomas Bach als IOC-Präsident endlich eine Reform der IOC-Regularien einhergeht, die Nachhaltigkeit und Transparenz gewährleistet. Unabhängig davon, ob die von Bach angestoßene „Agenda 2020“ überhaupt Substanzielles hergeben wird, gilt es als sicher, dass der Reformprozess mehrere Jahre, wenn nicht Jahrzehnte dauern wird. Überhaupt rechnen Experten mit nennenswerten Änderungen der Ausschreibungspraxis frühestens 2028 bzw. 2032. Wahrscheinlicher ist, dass am Ende ein kleines „Reförmchen“ herauskommt, das keine tiefgreifenden Änderungen insbesondere bei der Frage der Kostenaufteilung vorsieht. Warum SPD, CDU, Grüne und FDP wider besseres Wissen trotzdem unter Zeitdruck an einer Bewerbung für 2024 (Frist: November 2015) arbeiten, ist völlig unverständlich.

Doch nicht nur die Austragung Olympischer Spiele schlägt mit zweistelligen Milliardenbeträgen zu Buche. 2003 versenkte der damalige CDU-Schill-FDP-Senat mindestens zehn Millionen Euro für Kampagnen und verlor in der nationalen Ausscheidungsphase gegen Leipzig. Mittlerweile beziffert das IOC die reinen Bewerbungskosten auf durchschnittlich 70 bis 100 Millionen Dollar. Ein ähnliches Finanzdebakel muss auch Hamburg fürchten, wenn es die unwahrscheinliche Hürde der nationalen Ausscheidung schafft, zumal voraussichtlich mit Berlin diesmal – im Unterschied zu 2003 – ein deutlich aussichtsreicherer Kandidat mit ins Rennen geht. Bis dahin Millionen für Kampagnen und Konzepte auszugeben, während Sportplätze und Sporthallen in Hamburg weiter vor sich hin gammeln und Jugendhäuser wegen des Kürzungsdiktats ausgetrocknet werden, ist aus Sicht der LINKEN unverantwortlich.

[box type=“info“ head=“Olympia in Hamburg – ein Milliardengrab“]

Nachvollziehbarer wäre es, wenn die Akteure vor der Studie zumindest abgewartet hätten, bis erste Eckpunkte einer angedachten Reform vom IOC beschlossen würden. Dies ist aber erst im Dezember 2014 der Fall und auch dann wird nur eine „Road Map“ beschlossen die definiert, wann etwas umgesetzt werden soll. Statt Politik mit Augenmaß zieht es der Senat aber vor, den Kapitalinteressen der Wirtschaftslobby nachzugeben. Schließlich betonte der Tourismusverband Hamburg im goldenen Saal des Kempinski-Hotels im Beisein des Sportsenators, dass Sportevents „Goldgruben“ seien. Da lässt man sich nicht lange bitten.

Olympische Spiele der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass

  • die Austragung fast immer einen negativen Effekt auf die Haushaltslage der Städte hatte. Teilweise konnten die öffentlichen Schulden in Milliardenhöhe erst Jahrzehnte später getilgt werden.
  • die tatsächlichen Kosten in allen Fällen bei weitem die kalkulierten Kosten überstiegen. Teilweise gibt es Abweichungen von bis zu 1400 Prozent, wie im Fall der Spiele in Montreal 1976.
  • mit der Austragung der Spiele die Verdrängung besonders von Menschen mit kleinem und mittlerem Einkommen aus angestammten Wohnverhältnissen einhergeht.
  • Olympische Spiele zu einer Zunahme von Umweltbelastungen, u.a. durch erhöhtes Verkehrsaufkommen, führen.
  • kaum breitensportliche Wirkungen erzielt werden.

Hinzu kommt, dass der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) sich eigenmächtig entschieden hat, selbst auszuwählen, wann und mit welcher deutschen Stadt er sich bewerben will – vorbei an der Entscheidung der Bevölkerung. Die darf, sollte es nach den Befürwortern gehen, nur noch abnicken.

Vor diesem Hintergrund lehnt die Fraktion DIE LINKE jeden Versuch ab, eine Bewerbung für die Olympischen Spiele 2024 und 2028 zu rechtfertigen. Hamburg braucht breitensportliche Investitionen in Sportinfrastruktur und Programme zur Beteiligung aller Bevölkerungsschichten und kein einmaliges Event, dass zulasten Hamburgs geht. „16 Tage feiern – 16 Jahre zahlen“ kann und darf nicht das Motto für die sportliche Zukunft Hamburgs sein.[/box]

Mehmet Yildiz und Özgür Yildiz