Nach dem abgewehrten Putschversuch im Sommer 2016 hat die Abteilung für internationale Angelegenheiten des Präsidium für Religiöse Angelegenheiten der Türkei („Diyanet“) per Erlass angeordnet, dass von ihr bezahlte Imame im Ausland Informationen über Menschen, die der Gülen-Bewegung oder anderen Organisationen nahe stehen sollen, sammeln und an die zuständige Behörde zukommen lassen sollen.

Ohne Umschweife wurde von den Imamen im Ausland erwartet, dass sie Spionage betreiben.

Diejenigen, die dieser Forderung nachkamen, stellten dann letztlich ihre Berichte dem Präsidium zur Verfügung. Das Präsidium nahm diese Informationen entgegen und heftete sie zunächst in Akten ab.

Erst nachdem diese Informationen einer parlamentarischen Kommission zur Aufklärung des Putsches zur Verfügung gestellt wurden, kam Kritik an den „Spion-Imamen“. In der deutschen Presse und Öffentlichkeit wurde diskutiert, ob die DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V. ), die von der deutschen Regierung als Gesprächspartner für Islamunterricht in Schulen und als Integrationspartner angesehen wird, von dieser Spionage wusste. Denn immerhin arbeiten die ca. 1000 Imame in den über 900 Moscheen der DITIB und werden von der türkischen Regierung als Beamte bezahlt. Es ist mittlerweile bekannt, dass die DITIB offiziell eine religiöse Gemeinde ist, inoffiziell jedoch der verlängerte Arm der AKP und des Präsidenten Erdogan. Inmitten dieser Diskussionen versuchte sich die DITIB gegen die Spionage-Vorwürfe mit Sätzen herauszuwinden: „Wir haben keine Kenntnisse darüber“ und „Die Fälle werden untersucht“.

Sind drei Imame allein verantwortlich?

Als Einzelheiten über die Spionagevorwürfe bekannt wurden, musste die DITIB nach langem Schweigen reagieren und ihr fiel das naheliegendste ein: die Verantwortung liegt persönlich bei ein Paar übermotivierten Imamen! Der Generalsekretär der DITIB, Bekir Alboga, sagte in einem Interview mit der Rheinischen Zeitung, dass sie keine Information über Spionagetätigkeiten ihrer Imame hätten. Er bestätigte allerdings, dass drei Imame von insgesamt 1000 auf Grundlage eines Missverständnisses und im Glauben, sie täten etwas Gutes, Informationen geteilt hätten, ohne dass sie eine Befugnis darüber gehabt hatten. Weiterhin ist Alboga der Meinung, dass die DITIB mit unberechtigter und unverhältnismäßiger Kritik konfrontiert werde und dass es ihm aber leid täte, dass so etwas passiert sei. Seine Erklärung, wie diese Spionageaffäre zustande gekommen sei, liest sich wie folgt: Der Vorsitzende der Abteilung für internationale Angelegenheiten des Präsidiums für religiöse Angelegenheiten bereitete sich auf ein Vortrag zu dem Thema „Kampf mit dem Fanatismus im Nahen Osten“ vor. In diesem Zusammenhang habe er den Religionsattachés in den türkischen Botschaften einen Brief geschickt, da ja bekannt sei, dass die Gülen-Bewegung im Nahen Osten sehr stark sei. Hierfür sollten Informationen zur Nutzung im Vortrag recherchiert und mitgeteilt werden. Der Brief, der an die Attachés adressiert sei, sei irgendwie in die Hand auch einiger Imame gelangt und diese haben sich angesprochen und verantwortlich gefühlt. Im guten Glauben schickten sie Informationen über Personen in ihrem Umfeld, von denen sie wussten, dass sie Gülenisten seien, in die Türkei. Na, dann ist ja alles klar!

Alboga weiß eigentlich alles

Alboga versucht mit seiner Erklärung, dass drei Imame angeblich versehentlich und durch Zufall an diese Aufforderung der Informationsbeschaffung gekommen seien, zu verschleiern, dass zwischen der DITIB und dem Diyanet eine personale und strukturelle Beziehung besteht. Bei der Sachlage ist es allerdings nicht mehr möglich, die Beziehungen zu verschleiern. Denn selbst in der Satzung der DITIB ist festgeschrieben, dass das Präsidium eine bestimmende Rolle innerhalb der DITIB spielt. Auch die drei Spion-Imame sind nicht Angestellte der DITIB, sondern sind sie abgeordnete Beamte des Diyanet, ihre Bezüge werden aus Ankara bezahlt. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist Alboga einer der jenigen, der am besten über die Zusammenhänge zwischen der DITIB und dem Diyanet Bescheid weiß. Ihm fällt jedoch die Rolle zu, die deutsche Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass die DITIB eine NGO ist. Insofern ist es nachvollziehbar, aber nicht überzeugend, dass er alle belegbaren Zusammenhänge leugnet und das Gegenteil beteuert.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Alboga eine Schlüsselrolle bei der Verschleierung der Verbindungen zwischen der DITIB und der Diyanet zukam. Er versucht die DITB, eine staatliche religiöse Gemeinde, als eine zivilgesellschaftliche Organisation zu verkaufen. Dies ist jedoch in keinster Weise überzeugend. Die DITIB hat bisher keine einzige kritische Aussage zu der Politik von Erdogan und der AKP, zu den Repressalien gegen Intellektuelle, zu den Angriffen auf demokratische Rechte oder ähnliches verlauten lassen. Sie ist jedoch jederzeit in den Startlöchern, wenn es darum geht, Propaganda für Erdogan und die AKP zu machen. Aus diesem Grund glaubt in Deutschland niemand mehr daran, dass die DITIB eine zivilgesellschaftliche Organisation ist.

Was wird Deutschland tun?

Im Grunde weiß in Deutschland jeder, sowohl türkeistämmige Migranten als auch die deutsche Öffentlichkeit und der deutsche Staat, durch wen die DITIB geleitet wird und was ihre Ziele sind. Jede neue Information bestätigt nur das vorher bekannte. In diesem Zusammenhang ist ausschlaggebend, wie die Migranten in Deutschland und die deutschen Behörden auf diese neuen Informationen reagieren und welche Positionen sie vertreten werden.

Die türkeistämmigen Migranten sollten es nicht hinnehmen, dass eine Organisation ihre religiösen Bedürfnisse in den Dienst einer Partei stellt und ihre Imame dafür instrumentalisiert. Am wenigsten sollten die Imame selbst dies hinnehmen. Genauso wenig sollte hingenommen werden, dass die DITIB die Isolation der Muslime in Deutschland voranbringt und zwischen Muslimen und der deutschen Gesellschaft Abstand fordert.

Deutsche Behörden, die deutsche Regierung und die deutsche Öffentlichkeit sollten von ihrer toleranten und konstruktiven Haltung zur DITIB, die ihre Imame zu Spionage auffordert, Abstand nehmen. Die Haltung zur DITIB sollte unabhängig von politischen Berechnungen und Profit gestaltet werden. Eine Organisation wie die DITIB, die wie der verlängerte Arm eines autoritären Regimes agiert, sollte nicht mehr zu Integrationsgipfeln oder Islam-Konferenzen eingeladen werden. Des Weiteren sollte die Lehrberechtigung des Islamunterrichts der DITIB und ihrer Imame rückgängig gemacht werden.

Übersetzung von Serpil Dogahan