wenndiegesundheitzurwarewirdKrankheit – ein negativ besetztes Wort, das primär mit Begriffen wie Schmerz und Leid in Verbindung gebracht wird – zumindest für den Betroffenen. Aus Arbeitgebersicht betrachtet, sieht die erste Assoziation jedoch anders aus: Für Unternehmer ist Krankheit nämlich viel mehr mit dem Begriff ,,Verluste‘‘ in Verbindung zu bringen. So bedeutet ein erkrankter Arbeiter beispielsweise weniger Produktion und somit auch weniger Gewinn. Auch wenn es dabei nicht um das Wohl des Arbeiters geht, möchte also der Unternehmer vermeiden, dass seine Angestellten krank werden.

Doch gibt es auch Bereiche, die ein besonderes Interesse daran haben, dass Menschen krank werden? Die Antwort liegt klar auf der Hand. Das gesamte medizinische Versorgungsnetz, mit Krankenhäusern, Ärzten und Pflegepersonal, die Pharmaindustrie, Kuranbieter, die Wellnessbranche und viele weitere Gebiete verdienen ihr Geld durch Krankheitsfälle unter den Menschen.

Die Auswirkungen dieser Tatsache sind mittlerweile so stark zu spüren, dass man sogar von einer Gesundheitswirtschaft reden kann. Ärzte haben beispielsweise neben dem Wunsch, einen Patienten zu heilen, einen mindestens genau so großen Wunsch danach, möglichst viel dabei zu verdienen. Nicht selten wird daher die Behandlung gewählt, die wirtschaftlicher ist, als die, die für den Patienten erfolgversprechender ist. Der Patient wird allmählich nicht mehr als hilfebedürftiger Mensch, sondern als Kunde betrachtet.

Dabei zeigen verschiedene Studien, wie auch die neuesten Statistiken des deutschen Ärzteblattes, dass diese ‚,Kunden‘‘ größtenteils aus einkommensschwachen Gesellschaftsschichten stammen. Betrachtet man beispielsweise die durchschnittliche Lebenserwartung der breiten Arbeiterschicht, so liegt diese mit 71 Jahren etwa 10 Jahre unter der durchschnittlichen Lebenserwartung von Personen aus einkommensstarken Verhältnissen. Auch die Aufkommensrate der häufigsten Todesursache in Deutschland, nämlich Herz-Kreislauferkrankungen, ist in niedrigen Gesellschaftsschichten fast doppelt so hoch, wie in finanziell stärkeren Schichten. Das Fazit liegt klar auf der Hand: Wer arm ist, wird eher krank. Dies liegt zum einen daran, dass die körperliche und psychische Belastung der Arbeiterschaft in der Regel größer ist, als beispielsweise die der Akademiker, zum anderen aber auch daran, dass gesunde Ernährung deutlich teurer ist, als das, was sich finanziell schwache Menschen in ihrem Alltag leisten können. Auch werden bestimmte Vorsorgeuntersuchungen, die es ermöglichen würden, Krankheiten zu vermeiden oder zumindest früher zu behandeln, häufig nicht von gesetzlichen Krankenkassen übernommen und werden daher erlassen, da sich die breite Masse der Bevölkerung eine eigene Zahlung nicht leisten kann. Im Gegensatz dazu stehen einkommensstarken Patienten, die sich eine private Krankenversicherung leisten können, alle Wege in diesem Sinne frei.

Deutlich wird hieraus, dass nicht jeder Patient gleich viel wert ist. Während der gesetzlich Versicherte nur eine pauschale Geldsumme einbringt und daher nur die nötigsten Eingriffe erhält, wird der Privatpatient zum Teil sogar als reine Geldquelle betrachtet. So lässt sich bei ihm jeder kleinste Eingriff auf die Rechnung schreiben, sodass dieser mehr als ausreichend medizinisch Versorgt wird.

Dieses Phänomen lässt eine deutliche Zweiklassengesundheit erkennen; wer Geld hat, kann seine Gesundheit behalten oder erkaufen, wer zu wenig verdient, muss mit der Krankheit klarkommen. Sicher ist, dass dieses System fern vom jeglicher Gerechtigkeit und Gleichheit ist. Wo Gesundheit vom Geld abhängt, kann niemand von Menschenrechten reden. Der Zugang zur medizinischen Versorgung ist nämlich erst dann als ein Menschenrecht gesichert, wenn jeder gleichermaßen Zugang zu ihm hat und es von wirtschaftlichem Denken vollständig entkoppelt ist; und bis dahin ist es noch ein weiter Weg.

Gülçin Mengi