Der Angriffskrieg Moskaus gegen die Ukraine hält weiter an. Die Energiepreise explodieren, Lieferketten an immer größeren Fronten liegen still, den Ländern der Peripherie drohen neue Hungerkatastrophen und die Weltkriegsgefahr ist wieder ins Licht der weltweiten Aufmerksamkeit gerückt. Olaf Scholz und die Bundesregierung sprechen von einer sogenannten Zeitenwende, von der Notwendigkeit Deutschland wieder verteidigungsfähig zu machen und seinen Verpflichtungen nachzukommen und lassen dieser Bestandsaufnahme nun endgültig Taten folgen. Die Ampel-Koalition bestehend aus SPD, Grünen und FDP beschließt zusammen mit den Stimmen von CDU und AfD eine Grundgesetzänderung im Bundestag, um ein sogenanntes Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden für die ausschließliche Finanzierung der Bundeswehr ins Grundgesetz zu verankern. Der Bundesrat hat dieses Vorhaben vor kurzem ebenfalls bestätigt und damit den Weg für eine radikale verteidigungspolitische Wende geöffnet. Als DIDF-Jugend kritisieren wir entschieden diese Entscheidung als größtes Aufrüstungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik im Zusammenhang mit den nachfolgenden Punkten:

  1. Die 100 Milliarden Sondervermögen des Bundes sind nichts anderes als Schulden, finanziert durch den Verkauf von Staatsanleihen. Die Ideologie der Schuldenbremse und Konsolidierung der Staatsfinanzen werden vor dem Hintergrund dieser gewaltigen Schuldenaufnahme einmal mehr in Frage gestellt. Wo sonst nie Geld da war, wird plötzlich ohne große Umwege Geld aus dem Hut gezaubert. Und in der Tat ist die Bereitstellung eines solchen Schuldvermögens kein Problem für Deutschland und wäre an ganz anderen Stellen der Gesellschaft seit Jahren notwendig gewesen. Anstatt dringende staatliche Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, in den Nah- und Fernverkehr, in den sozialen Wohnungsbau, in die Sanierung von Schulen, in die Rekommunalisierung und Ausstattung der Krankenhäuser, in die Erhöhung der Löhne der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes zu ermöglichen, schießen Scholz, Baerbock, Lindner und Co. das Geld in die Verteidigung und Aufrüstung der mächtigsten Wirtschaftsmacht Europas. Geld wird locker gemacht, wenn es den herrschenden politischen Interessen entspricht, aber dann umso mehr vorenthalten, wenn es die dringenden sozialen und ökologischen Probleme lösen würde. Deshalb fordern wir, statt 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung bereitzustellen, endlich Geld in die öffentliche Infrastruktur, den Nahverkehr, die Gesundheit und die Bildung zu investieren!
  2. Dabei profitieren in besonderer Weise die deutschen Rüstungskonzerne von dem von der Bundesregierung bereitgestellten Sondertopf und den aus ihm finanzierten zukünftigen Rüstungsaufträgen. Die Aktienkurse von Konzernen wie Rheinmetall und Co. sind bereits zum Beginn des Krieges astronomisch in die Höhe geschossen, die Großanleger werden also ordentlich belohnt. Auch US-amerikanische Rüstungskonzerne freuen sich. Die aus US-amerikanischer Produktion stammenden nuklearfähigen F-35 Bomber der Marke Lockheed Martin wurden bereits von Scholz bestellt. Ein lukratives Geschäft mit Zukunftschancen für die Waffenproduzenten.
  3. Die weltweiten Rüstungsausgaben haben im letzten Jahr ein Rekordhoch von 2113 Milliarden US-Dollar erreicht. (SIPRI). Der weltweite Rüstungswettlauf könnte durch die Entscheidung des Bundestages neuen Aufwind bekommen und eine neue Rüstungsspirale in Gang setzen. Ferner sind verschiedene Großmächte mit Nuklearbomben bis an die Zähne bewaffnet. Die nuklearfähigen F35-Bomber, mit der Deutschland aufrüstet, setzen kein Signal für die Notwendigkeit einer Atomwaffenfreien Welt, sondern verschärfen das weltweite nukleare Zerstörungspotential. Wir fordern von der Bundesregierung, dass Deutschland praktische Schritte in Richtung Abrüstung und Ächtung von Massenvernichtungswaffen geht und endlich den Atomwaffenverbotsvertrag ratifiziert!
  4. Um dieses beispiellose Unterfangen zu rechtfertigen, wird der Mythos der kaputtgesparten Bundeswehr an die Wand gemalt: fehlende Unterwäsche, nicht einsatzbereite Schusswaffen, Panzer und Flugzeuge. Eine verblüffende Verlautbarung, wenn man bedenkt, dass der Verteidigungshaushalt der Bundesrepublik in den letzten Jahren stetig erhöht wurde, bis er schließlich auf 50 Milliarden angewachsen ist. Da der Partner Frankreich mit einem ähnlich hohen Budget aufwartet und sich nicht über fehlende Ausrüstung beklagen kann, bleibt diese in Deutschland verbreitete Argumentation zutiefst unglaubwürdig.
  5. Mit dem Sondervermögen soll zudem das 2%-Ziel der NATO übererfüllt werden, dass von jedem NATO-Partner erwartet, 2% des BIP in die Verteidigung zu investieren. Betrachtet man das finanzielle und militärische Übergewicht der NATO als mächtigstes Militärbündnis der Welt, ist die vielbeschworene Notwendigkeit zusätzlicher deutscher Rüstungsinvestitionen für die Sicherheit des Bündnis fraglich, wenn nicht sogar zynisch.
  6. Es handelt sich also nicht um eine Ausrüstung, sondern um eine Aufrüstung der Bundeswehr, die hier beschleunigt werden soll. Wenn Finanzminister Christian Lindner die Bundeswehr zur „schlagkräftigsten Armee Europas“ hochrüsten will, muss dieser Schritt im Sinne einer umfassenderen Strategie beleuchtet werden: Der Hauptschauplatz der weltweiten geostrategischen Auseinandersetzungen verschiebt sich trotz des Krieges in der Ukraine in den Süd- und Indopazifik, wo Washington und Peking verbal wie auch militärisch immer selbstbewusster auftreten und um die zukünftige Hegemonie der Weltwirtschaft ringen. Berlin, Paris und Brüssel werden ganz im Einklang der Empfehlungen und Schlussfolgerungen EU-naher Think-Tanks versuchen unabhängiger vom US-amerikanischen Bruder zu handeln, um eine eigene und selbstbewusstere gemeinsame Außenpolitik zu betreiben. Ob dies nun unter den Vorzeichen einer EU-Armee, Armee der Europäer oder einer Intensivierung der bereits existieren französisch-deutschen-Rüstungspolitik geschieht, bleibt abzuwarten; dass mit diesem neuen europäischen Selbstbewusstsein jedoch eine tiefere Verschärfung der weltweiten Großmachtgegensätze erfolgt, ist vorprogrammiert.
  7. Die Aufrüstung der Bundeswehr als Verfassungsziel zu setzen, verstärkt die Militarisierung der Gesellschaft in Deutschland. Seit Jahren wirbt die Bundeswehr an Schulen und in der Öffentlichkeit, um uns junge Menschen für das Militär und den Krieg zu begeistern. Eine   beispiellose Aufrüstung der Bundeswehr umfasst auch, uns junge Menschen auf den Krieg einzuschwören und im Zweifelsfall bereit zu sein, um für deutsche „Sicherheitsinteressen“ AKA Absatzmärkte, Zugang zu Ressourcen, Transportwege und geostrategische Ziele zu sterben und zu töten. Wir fordern deshalb, die Militarisierung zu stoppen und die Bundeswehr aus dem öffentlichen Raum zu verbannen! Kein Werben fürs Sterben!