Wer jetzt noch von Einzelfällen spricht, hat den Schuss nicht gehört.

Bei einer Pressekonferenz am Mittwochmorgen, den 16.09.20., berichtete der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul von Razzien, die bei der Polizei durchgeführt wurden. Insgesamt wurden 34 Polizeidienststellen und Privatwohnungen im Ruhrpott durchsucht. Dabei stellte sich heraus, dass mindestens 29 Polizisten an fünf rechtextremen Chatgruppen beteiligt gewesen sein sollen; eine der Gruppen soll sogar schon seit 2013 bestehen. Mehr als 100 rechtswidrige Inhalte wurden entdeckt; inklusive Bilder von Adolf Hitler, Hakenkreuzen und Reichskriegsflaggen.

Reul spricht von einer „Schande für die NRW-Polizei“, Wir finden: Es ist eine Schande für das gesamte Innenministerium und schon länger die Realität. Es handelt sich schon länger nicht mehr um Einzelfälle. Rechte Netzwerke und Gruppen bei der Polizei haben Struktur.

Im Sommer dieses Jahres versuchte Bundesinnenminister Seehofer, rechte Strukturen und Rassismus bei der Polizei kleinzureden, indem er behauptete, dass es bei der Polizei kein Problem mit strukturellem Rassismus gäbe. Er sagte, dass Racial-Profiling verboten wäre und deshalb eine Studie bezüglich rassistisch motivierter Polizeikontrollen schlicht unnötig sei. 2018 wurde das neue Polizeigesetz in NRW eingeführt, das es Polizisten ermöglicht, verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen. Dadurch wurde Polizisten jede Türe zu rassistischen Polizeikontrollen, die ausschließlich aufgrund äußerlicher Merkmale getätigt werden, geöffnet.

Das erschreckende hierbei ist, dass diese Chatgruppen nur durch einen Zufall aufgedeckt wurden. Das Handy eines betroffenen Polizeibeamten wurde aufgrund eines anderen Verfahrens kontrolliert, wodurch die Chatgruppen zufällig mitentdeckt wurden. Der Leiter der Dienstgruppe war hierbei ebenfalls an den Gruppen beteiligt. Aktuell belaufen sich die Ermittlungen allein auf die Information des genannten Handys. Mit großer Wahrscheinlichkeit ist die Zahl der Polizeibeamten höher, die in solche Chatgruppen verwickelt sind.

Reul kommentierte, dass die Inhalte der genannten Chatgruppen „übelste, widerwärtigste, neonazistische, flüchtlingsfeindliche“ Hetze seien. 11 der oben benannten Polizisten sollen aktiv in den Chatgruppen beteiligt und verantwortlich für die Inhalte sein. Für den nordrhein-westfälischen Innenminister Reul sind diese Informationen anscheinend nicht ausreichend genug, um von einem strukturellen Problem bei der Polizei zu sprechen.

Nun seien es wohl doch keine Einzelfälle mehr, aber von Strukturen möchte man trotzdem weiterhin nicht sprechen. Wir wissen, dass Rassismus und rechte Strukturen in der Polizei vorhanden sind. Im letzten Jahr kamen derartige Chatgruppen, die von rechtem Gedankengut geprägt waren, an die Öffentlichkeit. Es waren mehrere Polizisten aus ganz Deutschland beteiligt. In Frankfurt wurden mehrere Polizisten des Dienstes suspendiert, da sie auch eine derartige Chatgruppe hatten. Aus dem 1. Polizeirevier in Frankfurt wurden Anschriften mehrerer Personen rausgegeben, die kurz darauf Drohbriefe erhielten. Auch in Hessen spricht man nun aufgrund der polizeilichen Ermittlungen von einem rechten Netzwerk innerhalb der Polizei. Ähnlich in Baden-Württenberg, wo 7 Polizisten und in München, wo mehr als 40 Polizisten vom Dienst suspendiert wurden, da sie Teil solcher Chatgruppen waren.

Was passiert, wenn man gegen diese Netzwerke nicht konsequent handelt, zeigen die Ereignisse rund um das rechtsextreme Netzwerk „Hannibal“. Mehrere Bundeswehrsoldaten und Polizeibeamte sollen Mitglied des sogenannten „Nordkreuz“ sein; ein Teil des rechtsextremen „Hanniball“-Netzwerks. Eine Gruppe, die sich hauptsächlich über Telegramm organisiert hat. Mittlerweile hat man herausgefunden, dass sie Todeslisten erstellt haben, auf denen Namen und Anschriften von Persönlichkeiten der gesamten Bundesrepublik zu finden sind. Zudem verfügen sie über Waffenbunker, die quer durch Deutschland existieren und registrierte Waffen von Polizei und Bundeswehr beinhalten.

Wir fordern:

  • Lückenlose Aufklärung rechter Vernetzungen in der Polizei und
    der Bundeswehr
  • Eine unabhängige Polizeibeschwerdestelle
  • Konsequente strafrechtliche Folgen für rassistisch motivierte polizeiliche Maßnahmen
  • Ein Verbot aller grundlosen und verdachtsunabhängigen Kontrollen