Seit einigen Wochen ist wieder mehr in den Nachrichten über den Nahen Osten, vor allem über die Ereignisse im Jemen zu hören. Diese hatten in der Zeit davor deutlich an Medienpräsenz abgenommen. In wenigen Wochen sind im Jemen UN-Meldungen nach mehr als 500 Menschen getötet worden, die Huthis hatten vorher das Parlament aufgelöst und nun fliegen ausländische Armeen Bombenanschläge auf Ziele im Land.
Diese werden von einer Militärkoalition (mit Saudi Arabien und Qatar an der Spitze) ausgeführt und als Hilfsmaßnahmen für die noch offiziell amtierende Hadi-Regierung begründet. Hadi soll angeblich mittlerweile wieder nach Saudi Arabien geflohen sein, nachdem er in der Hafenstadt Aden eine erneute Niederlage gegenüber den Huthis hinnehmen musste. Diesen Angriffsflügen gegenüber sammelt sich eine Koalition der BRICS-Staaten mit dem Iran, Irak und Syrien.
Vor allem Zivilisten werden, wie so oft, zu Opfern der ausländischen Militäroperationen. Das führte in den letzten Tagen dazu, dass eine weitere Fluchtwelle aus dem Land begann, in dessen Zuge auch China mit Marineschiffen Hunderte Menschen aus Aden evakuierte.
Glaubenskrieg oder Machtspielchen?
Die Situation im Jemen hat seine Besonderheiten, welche es zu einem weit größeren Krisenherd machen könnten, als es beim Syrien-Konflikt der Fall ist. Vor allem die historisch wichtige Lage des Landes als ein Teil des Golfs von Aden, dessen Meerenge ähnlich wie der Bosporus, zwischen zwei Kontinenten, nämlich Afrika und Asien liegt, ist von einer großen Bedeutung. Der Jemen liegt somit also an einer der wichtigsten Handelsstraßen der Welt.
Mediale Meinungen zu der Lage sind weitestgehend die selben. Diese besagen, dass ein weiterer Glaubenskrieg, dieses mal zwischen den schiitischen Huthis, als Vertreter des Iran und der sunnitischen Führung des Jemen, als Vertreter Saudi-Arabiens stattfindet. Ebenso baut ein Teil der Analysen eine Verbindung zum sogenannten „Arabischen Frühling“ auf.
Abwegig ist diese Analyse nicht, jedoch hängt es weniger mit der religiösen Strömung beider Lager als mit dem Streben nach lokalem Einfluss und Machtausbau zusammen. Schließlich wird hier von zwei Hegemonialmächten im Nahen Osten geredet, welche sich als die Hauptprotagonisten ihrer entsprechenden konkurrierenden Lager etabliert haben.
Ebenso ist auch eine Verbindung zu den Aufständen in der arabischen Welt, welche zu vielen Neuformierungen von Ländern und der Kräfteverhältnisse, wie zum Beispiel in Ägypten und Syrien geführt hatten, nicht abwegig.
Bereits 2011 setzte die jemenitische Bevölkerung Ali Abdullah Salih ab, der bis dahin mehr als 30 Jahre das Land regiert hatte. An seine Stelle trat sein Vizepräsident Mansur Hadi. Schon damals machte sich eine deutlich verstärkte Präsenz der Huthi im Gebiet erneut bemerkbar. Seitdem herrschen in vielen Teilen des Landes Gefechte und viele Strömungen versuchen, sich zu festigen.
Koalitionsbildungen inländischer Fronten mit ausländischen Partnern für bestimmte Vorteile den feindlichen Lagern gegenüber, sind unvermeidlich, um ihre verschiedenen Ziele zu ermöglichen. Keines der beiden lokalen Lager kann und will sich eine Machtzunahme der gegnerischen leisten, zumal das Gebiet bereits seit Jahrzehnten in einer Umbruchsituation ist, in der sich die Verhältnisse jährlich ändern und der Drang nach Stabilität durch Führung zunehmend zu wachsen scheint.
Dabei ist das Ziel der saudischen Regierung als direkter Nachbar im Norden Jemens, wieder eine ihr nahestehende Regierung einzurichten. Zum einen, um sich die wichtige Handelspassage nach Asien wieder zurückzuholen, zum anderen um zu verhindern, dass sich in seiner unmittelbaren Nachbarschaft ein dem Iran zugewandtes Regime entwickelt.
Wie wird die Situation sich entwickeln?
Man kann ausschließen, dass sich die Lage mit einer ausländischen Militärintervention schnell klären lassen wird. Genauso wenig wie in Syrien, wird ein derartiger Eingriff zu einer Beilegung der Waffen zwischen den Fronten führen. Im Gegenteil wird die Anzahl der zivilen Opfer steigen. Eine genaue Lagebeschreibung ist momentan jedoch nicht möglich. Ein wirklich sicherer und neutraler Informationsfluss aus dem Land existiert nicht. Die einzigen Medien, welche durchgehend zu den Ereignissen berichten, sind Medien der Militärkoalition unter der saudischen Führung, wie zum Beispiel Al Jazeera und Stellungnahmen der Regierungen.
Die Reaktionen europäischer Partner
Während die Militärkoalition ihre Luftangriffe fortsetzt, hat die Thematik auch hier in Europa und anderen Teilen der Welt wieder Fuß gefasst. Direkt nach den ersten Meldung über die neue Initiative hatten westliche Partner Saudi Arabiens den Eingriff in die inneren Angelegenheiten Jemens als legitim oder richtig erklärt.
Zuerst sollte man hier die Rolle der USA betrachten, welche bei jedem Konflikt im Nahen Osten auf die eine oder andere Art und Weise mitspricht. Während die USA mit dem Iran zusammen in einem Bündnis gegen die IS beteiligt ist, an dessen Gesprächen auch die Türkei teilnahm, aber sich dann zurückzog, unterstützt sie auch die Militärkoalition der arabischen Staaten gegen die Huthis im Jemen.
Die türkische Regierung erklärte ihre Unterstützung zu dem arabischen Eingriff und nannte den Einsatz eine Hilfestellung für die legale Regierung im Jemen und somit sei diese gerechtfertigt. Eine ähnliche Stellungnahme kam bereits Ende des Monats von Seiten der Bundesregierung. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes erklärte, dass man keine Zweifel an der Legitimität der Angriffe habe. Jedoch setze die Bundesregierung darauf, dass diese Intervention eine kurzfristige sei, was realistisch betrachtet nicht der Fall sein wird.
Seit dem Amtsbeginn des neuen Wirtschaftsministers Sigmar Gabriel (SPD) wurde die Kritik an der Bundesregierung im Fall der Rüstungsexporte nach Saudi Arabien immer deutlicher. Dieser hatte sich in der Opposition und während des Wahlkampfes öffentlich gegen die Waffenlieferungen für das autoritäre Regime ausgesprochen. Jedoch, wie bereits von uns in früheren Ausgaben auch schon berichtet, hatte Sigmar Gabriel nach seinem Amtsantritt bereits Waffenexporte in das Land in einer Höhe von mehreren 100 Millionen Euro gestattet.
Auf eine Frage von Journalisten an den Sprecher des Auswärtigen Amtes, ob man nach dieser militärischen Offensive des Landes die Waffenlieferungen in das Land überdenken wolle, kam eine klare Verneinung. Dabei ist das eine neue Dimension der Interventionspolitik Saudi Arabiens, das von der deutschen Regierung als Stabilitätsfaktor im Gebiet angesehen wird.
Schließlich würde, wie bereits vorher darauf eingegangen worden ist, eine Machtübernahme durch die Huthis die Einkesselung der Saudis von Nord und Süd bedeuten. Der Jemen birgt die Gefahr eines großen Krieges im Nahen Osten, an welchem wieder Deutschland mit Rüstungsexporten mitverdienen wird. Dabei wird es sich aber weniger um religiöse, sondern viel mehr um offen geopolitische und wirtschaftliche Aspekte handeln.
Kommentare von Redaktion