Die, durch die Angriffe des IS (islamischer Staat) ausgelöste, Waffenlieferung Deutschlands an die autonome Region Kurdistan im Irak (auch Südkurdistan), wurde in den Medien und der Öffentlichkeit viel mehr als “humanitäre Hilfe” bewertet. Diejenigen, die behaupten, dass die Bewaffnung des kurdischen Gebiets, als Gegenmaßnahme zu den Massakern durch die Terrororganisation, notwendig sei, wollen entweder nicht erkennen, dass hinter dieser “Hilfe” geopolitsche Interessen stehen oder behalten demzutrotz diese ihre Haltungen bei.
Dabei hatte Deutschland schon immer Interesse an jenem Gebiet. Allerdings wurde dieses Interesse in der Regel durch die Herrschenden über jene Region realisiert. Besonders zu Zeiten des osmanischen Reiches war Deutschland darauf bedacht gute politische Verbindungen zu Kurdistan aufzubauen. Im Nachhinein rückte jedoch die Beziehung zur türkischen Republik in den Vordergrund für Deutschland und das kurdische Volk wurde immer wieder vertrieben. Unter diesem Gesichtspunkt war das Schicksal dieses alten Volkes des Nahen Ostens nicht weiter relevant für Deutschland. Erst die Geschehnisse der letzten Jahre, mit der Entstehung einer kurdischen, föderalen Region im Nordirak, wendete das Interesse Deutschlands hin zu einer spezielleren Politik. Natürlich nur in Hinsicht auf diese bestimmte Region. Ein Schritt auf diesem Weg war die Errichtung einer deutschen Botschaft in der Hauptstadt Arbil. Und nach dem letzten Angriff des IS hat Deutschland diese Situation ausgenutzt und begonnen die Peschmerga-Streitkräfte offen zu bewaffnen. Auf der einen Seite hat man Autonom-Kurdistan somit Waffen, im Wert von 70 Mio. Euro, verkauft und gleichzeitig den eigenen Einfluss in der Region gestärkt.
Südkurdistan: Ölzentrum
Das plötzliche Interesse Deutschlands an Südkurdistan kommt zum einen davon, dass man in der Region einen Standpunkt aufbauen will, um bei der örtlichen Aufteilung mitzumischen und liegt zum anderen auch an den reichen Öl- und Rohstoffreserven, über die Südkurdistan verfügt. Verschiedenen Schätzungen zufolge gehört der Irak zu den drei Ölreichsten Ländern der Welt. Tatsächlich wird auch nicht selten behauptet, dass die realen Ölreserven bei weitem höher seien, als es scheint und der Irak somit auf Platz 1 der Erdölreichsten Länder steht. Schätzungen zufolge kann man in Südkurdistan 45 Milliarden Tonnen Erdöl finden. Das macht Südkurdistan zu einem wichtigen Ölbecken. Welche Rolle dann die Stadt Kirkuk, die eines der größten Erdölbecken der Welt ist, spielt, liegt offen auf der Hand. Proben, die zwischen 2007 und 2009 durchgeführt wurden, ergaben, dass es allein in Kirkuk über eine Milliarde Tonnen Öl gibt. Täglich werden 40 000 Tonnen Erdöl in Südkurdistan gewonnen. Laut einem Artikel in der Zeitung “Junge Welt” von Jörg Kronauer, der sich auf einen Artikel des CDU-Außenpolitk Experten Friedbert Pflüger beruft, verfügt Südkurdistan, mit Kirkuk, über mehr Ölquellen als Lybien. “Und das bedeutet, dass die Region das achtgrößte Ölbecken der Welt ist”, sagt er.
Deutsche Energiemonopol-Vereinbarung wurde unterzeichnet
Das in der Region gewonnene Öl wird über die Türkei nach Deutschland und in die USA geliefert. Deshalb weckt das kurdische Erdöl natürlich den Appetit von Ländern, wie Deutschland, die von der Energieabhängigkeit von Russland entkommen wollen. Deutschland hat, nachdem es bereits lange Zeit ein Auge auf das kurdische Öl geworfen hatte, zuerst 2010 durch den Energieriesen RWE, der seinen Hauptsitz in Essen hat, ein Abkommen mit der Arbil-Regierung zur Förderung von Erdgas abgeschlossen. RWE, der einer der Partner des NABUCCO-Erdgas-Projektes, das das kaspische Erdgas über die Türkei nach Europa bringen sollte, ist, wollte das südkurdische Erdgas an diesem Punkt anbinden. Nur erweckte dieses Abkommen, wie immer, den Unmut der Regierung in Bagdad. Alle Versuche Deutschlands Bagdad von der Vereinbarung zu überzeugen schlugen fehl und das Abkommen bestand nur auf dem Papier. Später wurde auch die NABUCCO-Pipeline nicht erbaut. Das bedeutete aber nicht, dass Deutschland die Öl- und Erdgasquellen in Südkurdistan aufgegeben hat. Es wurden diverse Unternehmen und Lobby-Organisationen gegründet, um das kurdische Erdgas auf den Weltmarkt zu bringen. Derzeit haben die Ölgesellschaften vieler Länder das Recht auf Erdölgewinnung in Südkurdistan. Die örtliche, kurdische Regierung hat mit einer im Jahr 2011 geschlossenen Vereinbarung mit “Exxon Mobil” jener die Erlaubnis gegeben im irakischen Kurdistan 20 Jahre lang Öl zu suchen und zu fördern. 2012 unterschrieb sie dann Verträge mit Unternehmen, wie dem amerikanischen “Chevron”, dem franzöischen “Total” und dem russischen Energieriesen “Gazprom”. Das gewonnene Öl wird über eine Pipeline, die bis zur türkischen Stadt Ceyhan führt, an die Weltmärkte geliefert.
Aufteilungspläne durch Südkurdistan
Durch die unterirdischen Rohstoffquellen und den niedrigen Status Südkurdistans, erstarken die Pläne der imperialistischen Regierungen und reaktionärer Kräfte, die Region als Standpunkt für Aufteilung und Kontrolle zu nutzen. Deswegen sind die, als “humanitäre Hilfe” geltenden, Waffen, die dorthin geschickt wurden, in Wirklichkeit ein Mittel zur Interessensicherung. Dass die jetzige Barzani-Regierung ihre Tore bis zum Äußersten für imperialistische Regierungen und lokale reaktionäre Kräfte geöffnet hat, hat den Weg für das Einmischen von äußeren Mächten geebnet. Deshalb muss die Lösung, anstatt bei äußeren Mächten, beim kurdischen Volk gesucht werden. Nur wenn die kurdische Bevölkerung der Region zusammenkommt, um ihre eigenen Interessen zu schützen, wird eine Lösung gefunden die Plünderungen in Südkurdistan zu stoppen und dem auf Unterstützung angewiesenen Gebiet Rojava (Südsyrien) zu helfen. Außerdem gehört das in der Region gewonnene Erdöl nicht nur einer Familie, sondern steht einem ganzen Volk zu. Deshalb muss es eine gerechte Verteilung geben. Aus diesem Grund muss die kurdische Bevölkerung das Chaos in eine Chance verwandeln und sich, wie seit hunderten Jahren, gegen lokale, reaktionäre Kräfte und imperialistische Mächte erheben und wehren. Dann wird sich nicht nur die Situation des kurdischen Volkes, sondern aller Völker im Nahen Osten, entscheidend verändern.
Yücel Özdemir
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