beate zschäpeNett und freundlich sei sie gewesen – wie also wurde aus dieser Frau eine so verblendete Rassistin? Das Gericht in München versuchte in der vergangenen Woche das Leben der Beate Zschäpe auszuleuchten, um hinter die Motive der Rechtsterroristen vom Nationalsozialistischen Untergrund, kurz NSU, zu kommen.

Hilfe erhofften sich die Richter nach über 60 Verhandlungstagen vor allem von einer Zeugin. Am Mittwoch kurz nach 13 Uhr rief der Vorsitzende Manfred Götzl Annerose Zschäpe in den Saal des Oberlandesgerichtes. Sie ist die Mutter der Hauptangeklagten. Tochter Beate klappte ihren Laptop zu, rückte ein Stück auf ihrem Stuhl zurück und verschränkt die Arme. Dann kam Ihre Mutter, eine kleine 61-jährige Frau, blass, kränklich, herein.

Man weiß wenig von ihr. Sie hatte zu DDR-Zeiten in Rumänien Zahnmedizin studiert, arbeitete als Ingenieurökonomin, hatte nicht viel Glück mit Männern, überließ ihre Tochter vor allem der Oma. Nach dem Auffliegen des NSU im November 2011 wurde sie von der Polizei vernommen, Medien meidet sie. Entsprechend groß waren die Erwartungen im Gerichtssaal. Doch die wurden enttäuscht. Nach der Belehrung durch den Richter, dass sie als Mutter nicht aussagen müsse, tat sie genau das – und ging ohne einen Blick auf ihre Tochter geworfen zu haben, aus dem Saal. Das alles dauerte kaum mehr als zwei Minuten. Nicht genug Bilder für die Kamerateams. Schon gut eine Stunde vor Prozessbeginn waren auch alle Zuschauerplätze besetzt.

Der Tag hatte mit der Vernehmung des auf Mallorca lebenden Cousins von Beate Zschäpe begonnen. Die beiden sind zusammen aufgewachsen in Jena. Doch die Erinnerungen des Zeugen Stefan A. daran waren nicht sehr präsent. Er glaube, dass sich Mutter und Tochter zerstritten hätten, nachdem Beate Uwe Mundlos als Freund gewählt hatte. Das ist einer der beiden späteren mutmaßlichen NSU-Mörder, die sich nach der Entdeckung selbst gerichtet haben sollen. Später neigte Beate sich offenbar dem zweiten Killer, Uwe Böhnhardt, zu.

»Selbstbewusst, aber nicht gewaltbereit“ beschrieb der Cousin Beate Zschäpe. Nie habe er gesehen, dass sie Waffen getragen habe, sagte Stefan A. am Donnerstag, dem zweiten Tag seiner Vernehmung in München. So glaube er auch nicht, dass der Bau der Rohrbomben, die 1998 in einer von Zschäpe gemieteten Garage in Jena gefunden wurden, ihre Idee war. Ihre Komplizen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt „waren immer etwas verrückter.“

Mundlos »hat sich nach oben gesteigert«, ist zu Demos und Kameradschaftstreffen gefahren, er habe Flugblätter und Hetzgedichte gegen Ausländer geschrieben. Böhnhardt dagegen war vor allem Waffennarr. Die Drei seien unter anderem mit den Rechtsextremen Ralf Wohlleben und Holger Gerlach, beide sind als NSU-Unterstützer angeklagt, und André Kapke, der vor einer Woche als Zeuge auftrat, befreundet gewesen. Sie gehörten zur »Kameradschaft Jena« und dem »Thüringer Heimatschutz«.

Bei der Polizei hatte A. ausgesagt, Zschäpe »hatte die Jungs im Griff«. Dieses Verhältnis unter einander hatte das Gericht bereits am Dienstag klären wollen. Als Zeugen geladen waren zwei Ehepaare, mit denen die drei Neonazi-Terroristen fünf Jahre lang ihren Sommerurlaub auf einem Campingplatz der Ostseeinsel Fehmarn verlebten. Das erste Mal sei man sich im Sommer 2007 begegnet. Da nannten sich die Drei »Max« (Uwe Mundlos), »Gerry« (Uwe Böhnhardt) und »Liese« (Beate Zschäpe).

Die drei Freunde, die sich – wie sie sagten – schon seit der gemeinsamen Schulzeit kannten, waren auch aus Sicht der Campingurlauber »sehr nett, freundlich, hilfsbereit«. Man habe sich »sehr gut verstanden«. So gut, dass die Urlaubsnachbarn nach den Ferien sogar einmal Original-Thüringer-Würstchen geschickt hätten.

Und dann kam der 4. November 2011, nach einem Bankraub in Eisenach flog die NSU-Terrorgruppe auf. Sie seien extrem geschockt gewesen, als sie erfahren haben, dass diese Drei zehn Menschen umgebracht hätten, sagten alle vier Zeugen und waren noch immer erschüttert darüber, dass sie sich so haben täuschen lassen.

René Heilig, „neues deutschland“