Am gestrigen Abend haben die Geschehnisse in Wien uns alle erschüttert. Obwohl viele Hintergründe der Tat noch offen sind, ist bereits klar: vier Menschen wurden bei dem Anschlag getötet, mindestens 15 verletzt. Ein Mann, der mutmaßliche Täter (wobei auch offen ist, ob es mehr als einer war) wurde gestern von der Polizei erschossen. Unsere Anteilnahme gilt den Opfern und ihren Angehörigen. Gleich heute morgen war zu lesen, dass ein islamistischer Hintergrund vermutet wird. Im Angesicht dessen, dass in den vergangenen Wochen drei Anschläge in Frankreich mit islamistischem Hintergrund begangen wurden, weckt das natürlich erstmal Angst und Sorgen. Keine Woche ist der Anschlag in einer Kirche im französischen Nizza her, bei dem drei Menschen getötet wurden. Vor erst wenigen Wochen wurde ein Lehrer in einem Pariser Vorort von einem jungen Mann enthauptet, weil er in seinem Unterricht über Meinungsfreiheit gesprochen und die Mohammed-Karikaturen von Charlie Hebdo gezeigt hatte. Und erst vor knapp sechs Wochen griff ein Mann zwei Menschen mit einem Messer an und tötete sie, weil er davon ausgegangen war, dass sie Mitglieder der Redaktion der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo seien.

Diese Anschläge sind zweifelsohne Angriffe auf unser aller Zusammenleben und können auch nicht mit der Verletzung von religiösen Gefühlen verteidigt werden. Die daraus entstandene Stimmung wird jetzt von allen möglichen Kräften in der Gesellschaft genutzt, um die Gräben zwischen uns noch zu vertiefen. Sei es der französische Präsident Emmanuel Macron, dem die wiederentfachte Diskussion um Islamismus gerade Recht kommt, um Stärke zu demonstrieren und von den vielen Problemen in Frankreich abzulenken. Seien es rechte und konservative Politiker, die sogleich Migration und Terror in Verbindung setzen und u.a. ein französisches Guantánamo fordern. Oder sei es der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoǧan, der – wie er es immer tut – Muslime in Europa für seine Zwecke instrumentalisiert, während er gleichzeitig IS-Terroristen mit Waffen versorgt und ungehindert über die türkisch-syrische Grenze ein- und ausgehen lässt.

Sie alle verfolgen ihre eigenen Interessen. Sie interessiert die Trauer der Familien nicht. Sie interessiert der Rassismus, den Menschen muslimischen Glaubens tagtäglich seit dem 11. September 2001 erfahren müssen, nicht. Doch uns interessiert es: wir verurteilen die Anschläge in Wien und in Frankreich! Wir lassen es jedoch nicht zu, dass diese Anschläge genutzt werden, um uns zu spalten, genauso wie wir uns dagegen wehren, dass eine ganze Gruppe von Menschen unter Generalverdacht gestellt wird. Wie auch am Arbeitsplatz, in der Schule oder Uni stehen wir zusammen.