Da ist er wieder. Stau, überall wohin das Auge hinreicht. Wieder steht man stundenlang in einer endlos erscheinenden Masse von Autos. Im Berufsverkehr gibt es aber doch so einiges zu beobachten. Menschen, die laut singen oder telefonieren. Einige suchen sehr tief in der Nase nach einem Schatz. Andere frisieren sich die Haare. Klar, bei den Bahnpreisenöpnv kostenlos und ständigen Verspätungen ist es nicht verwunderlich, dass viele es bevorzugen, mit dem Auto zu fahren und in Kauf nehmen, wertvolle Minuten im Stillstand zu verbringen, „weil alles zu ist“. Was aber auffällt ist die Tatsache, dass fast jeder alleine fährt. Wie wäre es aber, wenn der öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) ausgebaut, besser organisiert und kostenlos wäre? Würden wirklich mehr Menschen Bus und Bahn nutzen? Ein ganz klares „JA“ zeigen die Städte, in denen der ÖPNV nichts mehr kostet. Die Stadt Hasselt in Belgien hat dieses Modell bereits am 1. Juli 1997 umgesetzt. Vor Beginn des kostenlosen Modells beförderten zwei Buslinien und acht Stadtbusse in Hasselt täglich etwa 1000 Menschen. Der neue ÖPNV bot an, dass alle 15 Minuten ein Bus startete. Um alles zu finanzieren und die Menschen für den ÖPNV zu überzeugen, wurden hunderte Parkplätze in der Stadt abgeschafft. Somit waren Autofahrer im Nachteil. Zusätzlich zu den Spritkosten mussten sie noch Parkgebühren zahlen. Dies waren dann 10 Euro für einen halben Tag. Und alle, die schon mal mit dem Auto in einer etwas größeren Innenstadt parken wollten, kennen das Problem. Zu teuer und zu voll! In der belgischen Stadt wurden hunderte Bäume gepflanzt, anstelle der vielen Autospuren. Somit war es möglich, auch den Fußgänger- und Radfahrerweg auszubauen. Mit weniger als 1 Prozent des städtischen Budgets war die Finanzierung der Busunternehmen möglich. Seither stiegen der Umsatz und die Arbeitsplätze in der Innenstadt. Seit 2004 befördert der ÖPNV in Hasselt über 4 Millionen Menschen jährlich.

Seit April dieses Jahres, nach mehr als 17 Jahren, schafft Hasselt den kostenlosen ÖPNV wieder ab. Die gestiegenen Betriebskosten der Busgesellschaft und die finanzielle Schieflage des Haushalts waren die angeblichen Gründe dafür. Neueste Regelung ist: Kinder und Jugendliche bis zum 20. Lebensjahr nutzen den ÖPNV weiterhin kostenlos, ältere Fahrgäste müssen in Zukunft einen Fahrschein für 0,60 € erwerben. Aber Hasselt ist nicht die einzige Stadt, die dieses Angebot durchführt. Die Internetseite freepublictransports.com zählt 52 Städte weltweit, die dieses System anwenden.

Auch in Deutschland wäre es denkbar, einen kostenlosen ÖPNV einzurichten. Natürlich müssen dementsprechend auch die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Zu finanzieren wäre es allemal. Vielleicht sogar als Einstieg wie ein Semesterticket, wie es die Studierenden nutzen, für einen geringen Preis. So auch der Vorschlag von Prof. Dr. Heiner Monheim, Professor für Angewandte Geographie und Raumentwicklung an der Universität Trier. Er sieht im kostenlosen ÖPNV große Vorteile. Jedoch äußert er in einem Interview mit einem Radiosender „Die deutsche Politik will keine Verkehrsprobleme lösen, sondern Autos verkaufen und autofreundlichen Populismus betreiben“. Als Beispiel für seinen Vorschlag nutzt er die empirischen Ergebnisse der großen Universitätsstädte, in denen die Studierenden immer mehr auf Bus und Bahn umsteigen, eigene Autos sogar verkaufen, weil es sich eher lohnt, mit dem ÖPNV zu reisen. Dies alles ist möglich mit einem Semesterticket, wofür man zwei Mal im Jahr einen Beitrag zahlen muss. Wenn man nun bedenkt, dass alle Rahmenbedingungen geschaffen werden, Straßen umgebaut, mehr und häufiger Busse und Bahnen eingesetzt werden, wäre wohl ein Umstieg für den Großteil der Bevölkerung, vom privaten Auto zu öffentlichen Verkehrsmitteln denkbar. Bis dahin sollten vielleicht öfter Fahrgemeinschaften gebildet werden, dann macht das Singen im Auto auch mehr Spaß.

Bahar Güngör