<![endif]–>Neues Leben (NL): Herr Bsirske, was ist Ihr Eindruck von der DIDF?

Bsirske: Ich finde, dass der Ansatz, die Gemeinsamkeiten in den Vordergrund zu stellen und zu sehen, dass Menschen, die hier ihren Lebensmittelpunkt haben, nach Jahren der Migration sich auch mit den Lebens-, Arbeits- und Entlohnungsbedingungen in diesem Land auseinandersetzen müssen, weil das genau das ist, was letztlich den Alltag eines jeden prägt und was man gemeinsam gestalten muss. Die DIDF ist sehr gewerkschaftlich orientiert. Wir sind Internationalisten in der Gewerkschaft und wir kämpfen gemeinsam für eine Besserung der Arbeits- und Entlohnungsbedingungen, nicht nur für Deutsche, sondern genauso für die Kolleginnen und Kollegen mit Migrationshintergrund. Wir haben die gleichen Interessen. Das ist der Ansatz der DIDF und das ist der Ansatz von Ver.di und deshalb können wir sehr gut zusammengehen.

Das Motto der Veranstaltung ist “Gemeinsam gegen Rassismus”. Was können die Gewerkschaften gegen Rassismus in den Betrieben machen?

Rassismus spaltet. Er ist auch darauf angelegt, zu spalten. Egal ob deutsch- oder türkischstämmiger: Das Anliegen der Gewerkschaften muss sein, die Konkurrenz der Arbeiter untereinander zu begrenzen und am besten zu überwinden. Deswegen müssen wir uns dem Rassismus entgegenstellen, genauso wie wir antifaschistisch sind und uns allen faschistischen Tendenzen entgegenstellenmüssen. Rassisten gehen gegen die Migranten, sie gehen gegen die Arbeiter und sie gehen gegen die Gewerkschaften als Interessenorganisation der arbeitenden Menschen.

Können die Gewerkschaften sich nicht in Zukunft noch stärker am antifaschistischen Kampf orientieren?

Wir sind verpflichtet, im Betrieb Bestrebungen zur Spaltung entgegenzutreten. Rassismus ist spaltend und insofern ein auch gegen die Gewerkschaften gerichtetes Projekt, das die Menschenwürde verletzt, das den Interessen der arbeitenden Menschen entgegensteht und dem wir eine klare Absage erteilen müssen, praktisch, tagtäglich, in den Betrieben und in unserer Organisation.

Vielen Dank für das Interview.

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Rassismus bekämpfen durch “soziale Gerechtigkeit”

Neues Leben (NL): Herr Lafontaine, was ist Ihr Eindruck von der DIDF?

Lafontaine: Ich freue mich, dass die DIDF ein so aktives Leben hat. Das erlebt man ja, wenn man bei dieser Feier, bei diesem Fest dabei ist. Und ich wünsche, dass das so weitergeht, denn diese Organisation verbindet die Menschen, führt sie zusammen und ich glaube, sie trägt dazu bei, dass sich die Menschen hier sich sehr wohl fühlen.

Sie haben zum ersten mal auf türkisch ein Gedicht von Nazim Hikmet vorgetragen. Was hat sie dazu verleitet?

Vor allem der Schluss des Gedichts sagt aus, man soll zunächst mal sein eigenes Leben leben, aber man muss zusammen mit anderen leben. Wenn man nicht zusammen mit anderen lebt, dann kann man nichts erreichen und das gilt insbesondere für die Ziele, die wir haben.

Das Thema der Veranstaltung ist “Gemeinsam gegen Rassismus”. Was können wir alle zusammen in diesem Land noch stärker gegen Rassismus tun?

Es gibt zwei Dinge, die nach meiner Beobachtung wichtig sind. Einmal das Kennenlernen der jeweiligen Kultur. Also in dem Moment, wenn man die Kultur eines Landes kennt, dann hat man eine ganz andere Einstellung. Und die Kultur führt zusammen. Das habe ich immer wieder erlebt in all den Jahrzehnten meiner Tätigkeit. Also kultureller Austausch ist für mich ganz wichtig. Und dann natürlich der soziale Ausgleich, denn Gerechtigkeit ist die Grundlage des Friedens. Wenn es keine Gerechtigkeit gibt, gibt es Streit. Und deshalb muss man Gerechtigkeit herstellen und d.h. eben im eigenen Land anfangen, soziale Gerechtigkeit zur Grundlage der Politik zu machen. Dann gibt es nicht diese Spannungen und der Boden für Hass und Gewalttätigkeit kann nicht geschürt werden. Denn Menschen, die verzweifelt sind, die selbst nicht mehr ein und aus wissen, die meinen dann, der Nachbar sei schuld und wenn der Nachbar dann auch noch eine andere Sprache spricht, dann ist er sowieso schuld. Es ist leider ganz platt in einer parlamentarischen Demokratie. Man muss die politischen Gruppen unterstützen, auch wählen, die glaubwürdig gegen Leiharbeit oder für den Mindestlohn im Bundestag stimmen und nicht nur davon reden.

Vielen Dank für das Interview