hamburgDie Unterbringung der Flüchtlinge ist in Hamburg seit Wochen das überragende und alles dominierende Thema. Seit Jahresbeginn verzeichnete das Einwohnermeldeamt über 35.000 neue Flüchtlinge. Die Behörden haben größte Schwierigkeiten die ankommenden Flüchtlinge notdürftig unterzubringen, von menschenwürdigen Unterkünften ganz zu schweigen. Letzte Woche mussten etwa 500 Flüchtlinge auf der Straße schlafen, weil laut Senat „keine freien Kapazitäten“ existierten. Viele der ankommenden Flüchtlinge werden neuerdings in ehemaligen Baumärkten untergebracht. Die Zustände in den Massenunterkünften sind katastrophal: Menschen werden in verdreckten Hallen zusammengepfercht, die Sanitäranlagen sind ungenügend, häufig gibt es kein warmes Wasser, keine Seife, keine Privatsphäre und die medizinische Versorgung ist ungenügend. Der Senat musste zuletzt auch zugeben, dass die im Sommer als Zwischenlösung angekündigten und errichteten Zeltstädte auch über den Winter als Unterkünfte genutzt werden sollen. In den meisten Zeltstädten sind immer noch keine Heizlüfter angebracht und die Menschen müssen Nachts frierend schlafen.

Angesichts der großen Not und der katastrophalen Zustände wird immer offensichtlicher, dass beim Senat ein Konzept für die Unterbringung der Flüchtlinge schlicht nicht existiert. Die Oppositionsparteien werfen dem Senat vor, kopf- und planlos zu agieren. Dagegen kontert der Senat, dass die drastische Zunahme von ankommenden Flüchtlingen nicht vorhersehbar war und der Stadtstaat Hamburg im Gegensatz zu Flächenstaaten über zu wenige Freiflächen verfüge. Ein Brandbrief von führenden Mitarbeitern der für die Unterbringung verantwortlichen städtischen Betreibers „Fördern und Wohnen“ sorgte für Schlagzeilen. In einer vernichtenden Kritik weisen sie darauf hin, dass die Kriegsflüchtlinge nicht vom Himmel fielen und es voraussehbar war, dass „durch die ausländische Einmischung mitverschuldete Kriege in Afghanistan und in der arabische Welt zu einer humanitären Katastrophe führen mussten, die sich früher oder später auch auf Mitteleuropa auswirken würde“. Neben der Kritik an fehlendem ganzheitlichen Konzept zur Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnungslosen, wird der massive Ausbau von Sozialwohnungen und die zur Verfügungsstellung von leerstehenden Wohnungen des städtischen Wohnungsunternehmen SAGA gefordert.

Schon sehr lange fordert die Linksfraktion in Hamburg die Beschlagnahmung von leerstehenden Wohn- und Büroimmobilien. Nun hat der rot-grüne Senat zumindest im Hinblick auf die Gewerbeimmobilien diese Forderung aufgegriffen und durch die Verabschiedung des „Gesetzes zur Flüchtlingsunterbringung in Einrichtungen“ die Grundlage geschaffen, um große, leerstehende Gewerbeimmobilien für Asylsuchende nutzbar zu machen.

Das ist ein richtiger und notwendiger Schritt, denn zulange haben die Regierenden durch Untätigkeit die Spekulation mit leerstehenden Immobilien ermöglicht und somit die Renditeinteressen von Investoren und Eigentümern bedient. Angesicht der großen Wohnungsnot, der steigenden Mieten und der drohenden Obdachlosigkeit für die ankommenden Flüchtlinge muss der Leerstand entschieden bekämpft werden. Das vom rot-grünen Senat beschlossene Gesetz ist ein erster richtiger Schritt, aber noch lange nicht ausreichend. Der Senat muss auch endlich den eigenen, städtischen Leerstand für die Unterbringung von Wohnungslosen und Flüchtlingen nutzbar machen und die zweckentfremdeten, leerstehenden Wohnungen und Büros von Privaten beschlagnahmen. Allein das städtische Wohnungsunternehmen SAGA verfügt über 1.300 leerstehende Wohnungen. Hinzu kommen rund 390.000 ungenutzte Quadratmeter in Büro-, Gewerbe- oder sonstigen Gebäuden der Stadt.

Für eine dezentrale, menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen, aber auch Wohnungslosen und Wohnungssuchenden Menschen muss neben der Bekämpfung des Leerstandes der massive Ausbau von Sozialwohnungen vorangetrieben werden. Lediglich 2.000 der insgesamt jährlich 6.000 neugebauten Wohnungen in Hamburg sind tatsächlich Sozialwohnungen. Die Wohnungspolitik des Senats mit dem sogenannten Drittel-Mix (1/3 Eigentumswohnungen, 1/3 freie Mietwohnungen und 1/3 Sozialwohnungen) ist vor dem Hintergrund, dass mehr als 50 % der Haushalte in Hamburg Anspruch auf eine Sozialwohnung besitzen, weit davon entfernt die Bedarfe nach bezahlbarem Wohnraum zu befrieden. Es fallen mehr Wohnungen aus der Sozialbindung heraus, als neue entstehen.

Diese Entwicklung birgt die Gefahr, dass Flüchtlinge und Wohnungslose mit der übrigen, auf preiswerten Wohnraum angewiesenen Hamburger Bevölkerung in Konkurrenz tritt und Bedarfsgruppen gegeneinander ausgespielt werden. Deshalb darf der Wohnungsmarkt nicht dem freien Markt überlassen werden, sondern muss strenger durch die Politik reguliert werden. Der Ausverkauf von öffentlichen Grundstücken muss gestoppt werden und der Bau von Sozialwohnungen muss im ersten Schritt auf 4.000 verdoppelt werden.

Damit die Teilhabe der Flüchtlinge am Leben in der Gesellschaft zügig verwirklicht werden kann, müssen auch die Barrieren für den Zugang zu Bildungseinrichtungen und zum Arbeitsmarkt schnellstmöglich beseitigt werden. Die Forderung von der CDU und aus der Wirtschaft den Mindestlohn für Flüchtlinge außer Kraft zu setzen, würde nicht die Teilhabe der Flüchtlinge gewährleistet, sondern zu neuen Ausbeutungsformen und zur Spaltung der Belegschaften führen. Der Einsatz von Flüchtlingen als Lohndrücker und als Druckmittel auf Stammbelegschaften ist weiterer perfider Versuch des Kapitals, die Arbeiterinnen und Arbeiter zu spalten und die Verfolgung ihrer gemeinsamen Interessen zu untergraben. Die Ausspielung von Flüchtlingen und Einheimischen muss daher von allen fortschrittlichen Kräften abgewehrt werden.

Es muss im öffentlichen Diskurs immer wieder darauf hingewiesen werden, dass Deutschland als drittgrößter Waffenexporteur auf der Welt die besondere Verantwortung trägt viel größere Anstrengungen für die menschenwürdige Unterbringung und Teilhabe der Flüchtlinge zu unternehmen. Die notwendigen Mittel hierfür sind entgegen der Propaganda einiger Politiker und Medien reichlich vorhanden. Zudem müssen die Regierenden dafür Sorge tragen, dass nicht die Flüchtlinge bekämpft werden, sondern die Fluchtursachen.

Deniz Celik
ist Mitglied der Partei, Die Linke
Bürgerschaftsfraktion der Hamburgischen Bürgerschaft