Es sind nun über 10 Jahre her, seit dem das G8 in einer Nacht- und Nebelaktion von der Regierung beschlossen wurde. Sowohl die Lehrer, als auch die Eltern und Schüler wussten nicht, was auf sie zukommen würde. Somit ist das Ergebnis nach 10 Jahren auch nicht überraschend oder schockierend. Elterninitiativen kämpfen in fast allen West-Bundesländern für eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium. In Baden-Württemberg und Hessen haben sie es geschafft, zum G8 parallel wieder das G9 einzuführen. In Ländern wie Bayern und Hamburg steht die Entscheidung noch bevor.
Wieso aber überhaupt gegen das G8 sein, ist eine Frage, die sich auch einige stellen. Schließlich wird man ein Jahr vorher mit der Schule fertig und hat somit Zeit gespart. Doch dennoch gibt es viele Gegner. Der 21-jährige Jugendliche, der aus München kommt und von der Schule runter musste, begründet seine schlechten Note wie folgt: „Also als G8 bei uns eingeführt wurde, hatten wir anfangs noch genügend Freizeit. Doch in der siebten Klasse änderte sich die Situation. Der Stoff war so erdrückend, dass ich die Schule nicht mehr schaffte. Ich hätte Nachhilfe gebraucht, was jedoch aufgrund der finanziellen Notlage meiner Familie nicht möglich war. Ich hielt es auch in dem Alter nicht für nötig, meine Eltern zu informieren und die Lehrer taten es auch nicht.“ Bei der Nachfrage bezüglich seinen Lehrern, ob sie mit der Situation zufrieden seien, antwortet er: „Sie waren alle sehr überfordert. Wir merkten das daran, dass sie immer wieder abschalteten und nicht wirklich anwesend waren. Sie waren dauergestresst und wir waren keine leichte Klasse. Somit endete das ganze Spiel in einem Teufelskreis und 17 Personen blieben somit in der neunten Klasse sitzen.“ Dieses Beispiel ist leider eines von Wenigen. Auch ein Mitglied vom BSV Köln bewertet die Situation im Rahmen ihrer Kampagne „Traumschule“ nicht sehr rosig: „Wir träumen tatsächlich davon, uns auf saubere Toiletten zu setzen und Mensaessen zu essen, ohne eine Lebensmittelvergiftung zu bekommen. Wir träumen von kostenloser Bildung, einer stressfreien Schulzeit und von uneingeschränkter Selbstentfaltung. Wir träumen davon, was man uns versprach, davon, was es geben sollte. Wir träumen also von nichts, dass es nicht geben kann. Da stellt sich nur noch die logische Frage: Warum träumen wir noch? Wer seine Schulleitung fragt, der bekommt die Antwort, dass es kein Geld gäbe. Wer die Politiker fragt, der erhält eine ähnliche Antwort. Kein Geld ist also die Devise und damit müssen wir uns zufrieden geben? Nein, Geld ist nämlich genug da, es wird nur in komplett andere Bereiche verschwendet.“
Einige haben die Situation satt und haben ein Volksbegehren „Ja zur Wahlfreiheit zwischen G8 und G9“ bzw, „G9-Jetzt-HH“ in Bayern und Hamburg gestartet. In Bayern ging das Volksbegehren vom 3. Juli bis zum 16. Juli, wogegen Hamburg erst am 18. September losgeht. Die Eltern haben in dieser Zeit die Möglichkeit, darüber zu entscheiden, ob ihre Kinder das G8 oder G9 in ihrem schulischen Werdegang haben sollen. Doch es tauchen Probleme zumindest in Bayern auf. Als unser Redaktionsschluss war, war bereits das Ende der vorgegeben Zeit vorbei und nur 0,8 Prozent der gesamten Bevölkerung beteiligte sich an dem Volksbegehren. Auch bei dem Volksbegehren gegen die Studiengebühren sei es so gewesen, dass sich in den letzten drei Tagen noch sechs Prozent der Bürger eingetragen hätten. Da freut sich natürlich schon die CSU. Aus der Ecke bekommt man zu hören, dass das Volksbegehren „krachend scheitern“ werde.
Das Volksbegehren in Hamburg wird jedoch von einer Elterninitiative organisiert und verspricht mehr Hoffnung. Die Eltern organisieren sich für ihre Kinder und tun alles, um so viele Mütter wie möglich dazu zu bekommen. Denn ihre Wut ist groß. Sie werden bei der Entscheidung über die Zukunft ihrer Kinder hintergangen. Auch dieser Brief spricht für sich: „Ich bin Mutter eines Kindes an einem Hamburger Gymnasium. An unserer Schule wurde auf ein Meinungsbild der Eltern komplett verzichtet. Die Eltern hatten die Möglichkeit, sich auf der Homepage zu informieren und an den öffentlichen Sitzungen des Elternrats teilzunehmen, hier jedoch ohne Stimmrecht. Eine Befragung der Elternschaft hat leider nicht stattgefunden und es gab auch keine Möglichkeit für die Eltern hier mit abzustimmen. Dies lässt die Vermutung aufkommen, dass eine demokratische Abstimmung nicht wirklich erwünscht war.
Bei der Schülerschaft hatte eine allgemeine Abstimmung stattgefunden. Leider hatten nicht viele Schüler daran teilgenommen aber das Ergebnis lag mit 62% der Stimmen für G9.
Trotz dieses Ergebnisses hat auch die Schülervertretung bei der Schulkonferenz für G8 gestimmt, denn das Ergebnis war einstimmig.“
Es bleibt für die Zukunft weiterer Generationen zu hoffen, dass ein Schritt gemacht wird, indem die G8 wieder zu G9 wird.
„Flexible Oberstufe statt G 8“
Auch die Gewerkschaft GEW, Gewerkschaft und Erziehung, befasst sich schon seit Anfang an mit dem Thema G8. Wir haben die Vorsitzende aus Hamburg, Anja Bensinger-Stolze, interviewt.
Wie steht die GEW zum Volksbegehren?
Allgemein ist ein Volksbegehren als ein Mittel der direkten Demokratie zu betrachten, dass den Bürgern die Möglichkeit gibt unabhängig von Wahlen und sehr konkret politische Themen auf die Tagesordnung zu bringen. Allerdings müssen wir in Hamburg feststellen, dass es zu einer sozialen Spaltung der Demokratie kommt, denn je schlechter ein Stadtteil gestellt ist, desto geringer ist die Beteiligung bei solchen Volksbegehren. Außerdem können sich nur EU-Bürger beteiligen. Bei Schulthemen ist dies sehr misslich, denn beschult werden alle Kinder und Jugendliche, ganz gleich, ob sie EU-Bürger sind oder nicht. Z. B. könnten sich türkische Mitbürger nicht an dem Volksbegehren beteiligen.
Ist G9 eine Alternative oder die richtige Lösung im Gegenspiel zu G8?
In Hamburg gibt es bereits die Alternative mit G9 an über 50 Schulen über das gesamte Stadtgebiet verteilt, an den Stadtteilschulen. Aus diesem Grund ist das Ansinnen der Initiative “G9-jetzt-HH“ schwer nachvollziehbar. In Hamburg kann jede/r Schüler bzw. Schülerin nach 13 statt nach 12 Jahren das Abitur machen, wenn er die Stadtteilschule besucht. Nach Auffassung der GEW muss das gesamte Thema grundsätzlicher angegangen werden.
Wie ist aus Pädagogensicht G8 zu bewerten? Welche Eigenschaften brachte dieses Bildungssystem mit sich und wie veränderte es den Schulalltag?
Viele Pädagoginnen und Pädagogen an den Gymnasien berichten, dass die Unterrichtsinhalte – obwohl die Rahmenpläne verändert wurden – förmlich eingetrichtert werden müssen, dass bei manchen Themen die Reife der Schülerinnen und Schüler fehlt, dass der Unterricht sehr stark auf Prüfungen und nicht auf eine notwendige Weltorientierung (z.B. Berufs- und Studienorientierung, Auslandsjahr während der Schulzeit usw.) fokussiert wird, also keine ganzheitliche Bildung verfolgt werden kann. Die GEW hat das sogenannte Turbo-Abi schon bei der Einführung kritisiert und fühlt sich in dieser Haltung bestätigt. Andererseits gibt es sicher Schülerinnen und Schüler, die auch nach 12 Jahren ein Abitur ablegen können und wollen. Deshalb schlägt die GEW Hamburg vor, nach den ersten 10 Schuljahren den mittleren Schulabschluss – ganz gleich ob Gymnasium oder Stadtteilschule – zu vergeben und dann eine flexible Oberstufe einzuführen. Eine Oberstufenreform könnte so aussehen, dass das Abitur dann nach 2, 3 oder 4 Jahren abgelegt werden kann. Dies ist ein Vorschlag, der alle Parteien an einen Tisch bringen könnte. Dabei sollten die Schülerinnen und Schüler, Eltern und PädagogInnen beteiligt werden.
Kommentare von Redaktion