Wir für mehr (rot auf weiß). Logo zur Tarifrunde Metall ElektrStolz verkündet die IG Metall ihren Tarifabschluss in Baden-Württemberg, der mittlerweile auch auf andere Bezirke übertragen wurde:

– 3,4% mehr ab April 2015 plus eine Einmalzahlung für Januar bis März 2015

– eine verbesserte Altersteilzeit und

– der Einstieg in eine geförderte Bildungsteilzeit

Viele Kolleg/innen sind mit dem Ergebnis zufrieden. Vor allem der Erhalt der Altersteilzeit war vielen wichtig. Denn die Arbeitgeber hatten provoziert, indem sie forderten nur noch 2% statt bisher 4% eine Altersteilzeit zu ermöglichen und das auch noch ohne geregelten Anspruch. Da viele sich nur noch mit Mühe bis zur Rente durchschleppen und Angst vor den hohen Rentenabzügen bei vorzeitiger Verrentung haben, ist es für viele existentiell, dass dieser Angriff abgewehrt wurde. Da noch eine kleine Verbesserung der Bedingungen für die untersten Lohngruppen erreicht wurde, sind viele froh. Sie haben wieder eine Perspektive, wie sie der sich immer weiter verschärfenden Ausbeutung und Arbeitshetze entkommen können.

Objektiv – nicht so toll

Doch objektiv ist das Ergebnis gar nicht so toll, wie es aussieht. Schon vor der offiziellen Aufstellung der Forderung für die diesjährige Tarifrunde verkündete im Oktober der Bezirksleiter von Baden-Württemberg einen Forderungshorizont von 3,5% (siehe http://www.arbeit-zukunft.de/index.php?itemid=2307). Mit 3,4% und den minimalen Verbesserungen bei der Altersteilzeit passt das fast haargenau.  Wenn man aber berücksichtigt, dass die 150 Euro Einmalzahlung nicht in das Tarifgefüge eingehen, der Tarifvertrag aber 15 Monate läuft, dann sind 3,4 % tatsächlich nur 2,7% Jahres-Tariflohnerhöhung auf die gesamte Laufzeit berechnet. Das ist mager.   Und bei dem „Einstieg in eine geförderte Bildungsteilzeit“ zahlen die Arbeiter und Angestellten selber. Die IG Metall schreibt: „Nicht ausgeschöpfte Mittel des Altersteilzeit-Tarifvertrags könnten künftig für Weiterbildungsmaßnahmen genutzt werden.“ Der Hintergrund: Aus dem bisherigen, ausgelaufenen Altersteilzeit-Tarifvertrag sind noch Gelder in den Rückstellungen übrig, weil die Arbeitgeber eine volle Ausschöpfung verhindert haben. Diese Gelder, die die Arbeiter und Angestellten sich bereits in einer vorhergehenden Tarifrunde erkämpft haben, werden nun zur Finanzierung der Bildungsteilzeit genutzt. Und in Baden-Württemberg gibt es keine generelle Regelung sondern nur „eine individuelle Konfliktlösung“, d.h. jede/r Kolleg/in muss sich ohne klare Regelung mit dem Arbeitgeber herumschlagen.

Kampfbereitschaft war da, wurde aber nicht ausgenutzt

Bundesweit nahmen rund 750.000 Beschäftigte aus mehr als 3.300 Betrieben an Warnstreiks teil. Die Mobilisierung war deutlich höher als in den vergangenen Jahren. Bei rasant steigenden Profiten wollten viele Kolleg/innen nicht mehr stillhalten. Bei den Warnstreiks, Kundgebungen, Demonstrationen konnte man beobachten, dass die Stimmung ausgesprochen gut und kämpferisch war. Viele Kolleg/innen wären zu Urabstimmung und Streik bereit gewesen. Der baden-württembergische Bezirksleiter der IG Metall, Roman Zitzelsberger, erklärte dazu: „Wir wollen das nicht, aber wir scheuen das auch nicht! So wurde auch verhandelt – man wollte nicht!  Gemessen daran, dass die Kampfkraft gar nicht ausgeschöpft wurde, ist das Ergebnis ok, wie viele Kolleg/innen derzeit meinen. Wenn man aber berücksichtigt, dass die Kampfkraft deutlich spürbar war und nicht voll genutzt wurde, dann ist das Ergebnis mager.  Wer die Tarifrunden in den letzten Jahren verfolgt hat, der konnte schon vorher das jetzige Ergebnis ausrechnen. Denn auf dem Verhandlungsweg – ohne ernsthaften Kampf – ist eben nicht mehr drin.  Ob mit einem Streik mehr erreicht worden wäre, kann niemand versprechen. Es ist aber bedauerlich, dass noch nicht einmal der Versuch dazu unternommen wurde, mehr zu erkämpfen.

Wer mehr erreichen will, muss etwas verändern

Mehr wünschen kann man sich immer. Aber damit ist es nicht getan. Wer mehr will, der muss auch dafür kämpfen. Zuallererst muss in der IG Metall dafür gekämpft werden, dass diese Tarifverhandlungsrituale, die so berechenbar sind, nicht mehr weiter geführt werden. Dafür müssen auch personelle Konsequenzen erkämpft werden. Wer gern mit dem Kapital Co-Management betreibt, gehört nicht an die Spitze einer Gewerkschaft. Funktionäre und Gewerkschaftsführer müssen die Interessen der Arbeiter und Angestellten ohne Wenn und Aber vertreten. Darauf muss bei allen Wahlen geachtet werden. Jeder, der mehr will, muss auch die Verantwortung übernehmen, dafür in der Gewerkschaft einzutreten. Mehr bedeutet ja auch, dass man mehr kämpfen muss, dass man die Kolleg/innen mehr und besser mobilisieren muss, dass man Rückgrat und Stehvermögen besitzt. Wer jetzt passiv bleibt, wird auch bei der nächsten Tarifrunde wieder hilflos zusehen müssen, wie das alte Ritual weitergeht.