Die Einführung der 40- Stunden-Woche

Seit der Gründung der ersten Gewerkschaften gehört die Senkung der Wochenarbeitszeit zu den vorgetragenen Forderungen der Arbeitervertretungen. Dadurch wurden die Arbeitszeiten gesenkt und lagen nach dem Zweiten Weltkrieg meist bei 48 Stunden (6 Tage à 8 Stunden). In den 1950er Jahren gelang es den Gewerkschaften ganz im Zeichen des Wirtschaftswunders vorallem spürbare Lohnerhöhungen auszuhandeln. 1955 gab der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zum Maifeiertag zum ersten Mal die Forderung und den Slogan „40 Stunden Arbeit sind genug!“ aus. Ein Jahr später begann der DGB dann eine Kampagne zur Einführung der Fünftagewoche unter dem Motto „Samstags gehört Vati mir“. Ziel war eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden (5 Tage à 8 Stunden).

Im selben Jahr wurde die 40-Stunden-Woche im Tarifvertrag für die Zigarettenindustrie als erster Branche vereinbart. Auch in den anderen Branchen wurden Arbeitszeitverkürzungen durchgesetzt. Zehn Jahre später, 1965, wurde die 40-Stunden-Woche in der Druckindustrie eingeführt. 1967 folgte die Metallindustrie und die Holzverarbeitung. Damit war der Weg für die 40-Stundenwoche als Standard für die Mehrzahl der Branchen frei. Erst 1983 folgte die Landwirtschaft. Fast 30 Jahre dauerte also der Kampf um eine einigermaßen flächendeckende Einführung.

Eine entsprechende Regelung im unserem Gesetz zur Arbeitszeit besteht trotzdem nicht. Hier wird nur der Achtstundentag geregelt!

Die 35-Stunden-Woche

Mit dem Erreichen des Ziels der 40-Stunden-Woche setzten sich die Gewerkschaften neue Ziele der Arbeitszeitverkürzung. Angestrebt wurde nun die 35- Stunden-Woche. Diese wurde 1990 in der westdeutschen Metallindustrie, und im Tarifvertrag der Stahl-, Elektro-, Druck- sowie Holz- und papierverarbeitenden Industrie vereinbart. In anderen Branchen wurde eine 38,5-Stunden-Woche ausgehandelt.

Arbeitszeitverkürzungen wurden in der Geschichte immer durch den Druck von Arbeiter*innenbewegungen, namentlich den Gewerkschaften, in jahrelangen Kämpfen, in letzter Instanz in Form von Streiks gegen den Widerstand der Unternehmer erzwungen.

Die Einführung der 35-Stunden Woche in der Metallindustrie war Ergebnis einer der längsten Arbeitskämpfe der bundesdeutschen Geschichte

Und heute?

In den 1990er Jahren sank der Einfluss der Gewerkschaften in den Tarifkonflikten. Als Gründe werden die Konjunkturentwicklung, die Arbeitslosigkeit, der Mitgliederschwund der Gewerkschaften und die Globalisierung genannt. In der Folge wurde statt über Arbeitszeitverkürzungen auch über Arbeitszeitverlängerungen diskutiert. Als Begründung diente die Gefahr einer Auslagerung von Arbeitsplätzen (Outsorucing) bzw. gesamten Abteilungen (Offshoring) ins Ausland und des weiteren Arbeitsplatzverlustes aufgrund der hohen Lohnkosten. Eine Reihe von Branchen kehrte seit Mitte der 1990er Jahre wieder zur 40-Stunden-Woche zurück. Seit Mitte der 1990er Jahre ist die Wochenarbeitszeit in vielen Branchen – meist unter dem Stichwort „Rücknahme der Arbeitszeitverkürzung“ – wieder deutlich angestiegen.

So gilt seit 2004 in Bundesländern, wie Bayern, die 42-Stunden-Woche und Nordrhein-Westfalen die 41-Stunden-Woche (öffentlicher Dienst).

Zum ersten Mal seit dem erbitterten Kampf um die 35-Stunden-Woche fordert die Gewerkschaft IG Metall nun für die 3,9 Millionen Beschäftigten in der deutschen Metall- und Elektroindustrie wieder eine Arbeitszeitverkürzung.

Jeder Beschäftigte soll das Recht bekommen, seine Arbeitszeit für längstens zwei Jahre auf bis zu 28 Stunden zu reduzieren – verbunden mit dem verbrieften Anspruch, danach wieder auf seine Vollzeitstelle zurückkehren zu können. Einen generellen Lohnausgleich soll es nicht geben.

Klingt nicht gerade nach einer kämpferischen Neuauflage der 80er Jahre und Jörg Hoffman, erster Vorsitzende der IG Metall sagt auch ganz deutlich: “Wir wollen in dieser Runde keine kollektive Regelung der Arbeitszeit für alle, sondern individuelle Lösungen für den Einzelnen. “

In Zeiten wachsender sozialer Ungleichheit kein gutes Zeichen.

Warum Arbeitszeitverkürzung und geht das überhaupt?

Die deutsche Wirtschaft boomt. Deutschlands Unternehmen exportieren in Rekordzahlen in die ganze Welt. Die Kosten der Banken- und Finanzkrise von 2008 wurde über Sparpolitik und der Agenda 2010 auf die Beschäftigten abgewälzt. Neue prekäre Beschäftigungsverhältnisse wurden so geschaffen. Diese Verhältnisse plus die immernoch hohe Arbeitslosigkeit üben Druck auf die Beschäftigten aus. Aus Angst vor Arbeitsplatzverlust sind sie oft bereit, persönliche Zeit unentgeltlich dem Arbeitgeber zu überlassen. Eigentlich müsste die Digitalisierung und die steigende Produktivität des Menschen unsere Arbeit erleichtern. Die positiven Auswirkungen sind aber bisher nicht bei uns angekommen! Im Gegenteil. Die Digitalisierung bekommen die Arbeitenden mit Stellenabbau, mehr Arbeitspensum, Stress, und Überarbeitung zu spüren.

“Wir müssen die tariflichen Arbeitszeiten verteidigen und längerfristig für kürzere Arbeitszeiten eintreten, wenn wir einer weiteren Verschärfung sozialer Ungleichheit begegnen wollen.”, schreibt die ver.di deshalb in ihrer Erklärung.

Wenn Unternehmer*innen behaupten die Arbeitszeitverkürzungen seien nicht machbar, dann nicht, weil sich sonst ihr Geschäft nicht mehr lohnt, sondern weil die Marktvorherrschaft in Gefahr ist und andere Unternehmen eventuell auch verkaufen können.

Die Einforderung von Arbeitszeitverkürzungen, mehr Lohn und besseren Arbeitsbedingungen hat also auch eine international solidarische Seite. Seenotrettung quasi bevor die Menschen in Seenot geraten und Entwicklungshilfe indem man z.B. die dt. Exporte verringert. (Die EU und die USA repräsentieren 50% der weltweiten Wertschöpfung)

Wenn Politiker*innen behaupten allgemeine Arbeitszeitverkürzungen seien nicht möglich, dann weil sie Unternehmenspolitik betreiben und wenig überzeugen, wenn sie gleichzeitig 2 % des BIP in Aufrüstung opfern, keine Vermögungssteuer einführen und Finanzflüsse in Milliardenhöhen in Steueroasen begünstigen.

Um der immer stärker werdenden sozialen Spaltung entgegenzuwirken, um der arbeitenden Bevölkerung ihren Anteil an der Digitalisierung und der wachsenden menschlichen Produktivität zu erkämpfen und aus internatioanler Solidarität mit den Arbeitenden der Welt, müssen die Gewerkschaften also an der Forderung nach Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Personal- und Lohnausgleich festhalten und weiter kämpfen. Das ist das einzige Mittel, das die Arbeitenden haben und das schafft Zukunft.

Denn alle Untersuchungen und Befragungen zeigen, dass die Menschen eine Vorstellung von einem guten Leben haben, das von kürzeren Arbeitszeiten und humanen Arbeitsbedingungen geprägt ist.