Seit der Eurokrise und spätestens seit dem Brexit in England ist der Austritt verschiedener Staaten aus der Europäischen Union immer ein Wahlkampfthema bei nationalen Wahlen. Genauso auch bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich, bei denen zwei Kandidaten nun in die nächste Runde gekommen sind, weil keiner eine absolute Mehrheit hat. Doch diese beiden Kandidaten stehen für eine breitere politische und neoliberale Agenda, als es in vielen Medien überhaupt berichtet wird.

Dass es bei der Abstimmung am 23. April nicht zu einer endgültigen Entscheidung kommen würde, wusste man bereits im Vorfeld. Damit ein Präsident hätte aus dem ersten Wahlgang herausgehen können, hätten über 50% der Wahlbeteiligten für einen Kandidaten stimmen müssen, was im Vorfeld bei über zehn Kandidaten und den verschiedenen politischen Strömungen bereits ausgeschlossen war.

Die fünf Kandidaten mit den meisten Stimmen wurden dabei von etwa 92% der Wahlbeteiligten gewählt, unter denen vor allem im Vorfeld Emmanuel Macron und Marine Le Pen als Favoriten herausstachen. Für die Konservativen des ehemaligen Präsidenten Sarkozy trat Francois Fillon an, der 20% der Stimmen bekam. Für die, dem namen nach, sozialistische Partei von Hollande, trat Benoit Hamon an, welcher lediglich 6% der Wahlbeteiligten für sich gewinnen konnte.

Der fünfte Kandidat, Jean – Luc Mélenchon, welcher von der sozialistischen Partei ausgetreten war und bei vielen als eine neue Kraft der Linken angesehen wurde, kam auf 19% der insgesamt 36 Millionen Stimmen. Mélenchon hatte mit einer Politik gegen die neoliberale Ordnung und gegen die Zwangsmaßnahmen der EU bei den Wählern gepunktet und hätte eine hohe Chance gehabt, die meisten Stimmen zu erlangen, wenn es zu einer linken Front gekommen wäre. Im Vorfeld konzentrierte sich die mediale Präsenz in Deutschland in Hinsicht auf die Präsidentschaftswahl in Frankreich hauptsächlich auf die „Europafreundlichkeit“ der Kandidaten und in wieweit diese sich für oder gegen einen Verbleib in Europa einsetzen würden. Bei genauerer Befassung mit den Kandidaten werden viele inhaltliche Punkte deutlich, mit denen das Ergebnis des ersten Wahlgangs umso erschreckender wird.

Eine Front des Nationalismus

Marine Le Pen, die Tochter eines der bekanntesten rassistischen Gesichter Frankreichs, Jean Marie Le Pen, übernahm Anfang 2011 die Führung der rassistischen und nationalistischen Partei Front National (FN) und sitzt bereits seit 2004 für genau diese Partei im Europaparlament.

Jetzt steht sie an derselben Stelle wie ihr Vater 2002 und versucht das, wozu ihr Vater nicht fähig gewesen ist, Präsidentin von Frankreich zu werden. Während Le Pen für viele Franzosen als weniger rassistisch gilt, als es ihr Vater ist, sind ihre Aussagen kaum von den seinigen zu unterscheiden.

Hinsichtlich wirtschaftlicher Fragen ist der einzige Unterschied, zwischen nationalistischen Parteien wie der FN und anderen Systemparteien wie dem PS, lediglich, mit welchen Mitteln eine kapitalistische Politik verfochten wird und welche Aussagen zu ihrer Durchführung als Hilfeleistung dienen. Dabei dient die nationalistische Linie auch einer starken Spaltung der Arbeiter untereinander in Nationalitäten, Kulturen, Sprachen, Religionen etc. Neben einer Grenze für die Einwanderung möchte die FN auch ausländische Arbeiter besteuern und die Sicherheitskräfte massiv aufstocken, worüber wir bereits des öfteren berichtet hatten.

Die Tatsache, dass Le Pen nun im ersten Wahlgang über 21% der Stimmen bekommen hat, zeugt davon, dass der Rechtspopulismus in Frankreich genauso erfolgreicht ist, wie in vielen anderen Ländern. Trotz der gängigen Meinung, dass am Ende Macron gewinnen wird, ist eine derart hohe Zustimmung und Akzeptanz gegenüber dem FN und ihrer Vorsitzenden ein Zeichen dessen, dass ein Großteil der französischen Bevölkerung von der bisherigen Politik der französischen Regierungen enttäuscht ist und sich nach einem Wandel sehnt.

Diesen suchen sie jedoch mit der FN in einer Partei, die, wie die AfD in Deutschland, keine Alternative zur herrschenden Politik ist, sondern nur diese in anderen Ausmaßen weiterführen möchte.

Macron, eine Einheit mit dem Kapital

Während Marine Le Pen für viele internationale Medien –zurecht- wegen ihrer völkisch nationalistischen Ansichten als unwählbar gilt, wird Emmanuel Macron und sein Sieg im ersten Durchgang geradezu gefeiert. Der 39-jährige war parteilos in die Wahlen gegangen und hat den ersten Schritt in Richtung einer Präsidentschaft gemacht. Dabei ist er nicht ohne Regierungserfahrung.

Macron war bereits Minister für Wirtschaft, Industrie und Digitales unter Francois Hollande und hatte in diesem Amt bereits Gesetze gegen die arbeitende Bevölkerung Frankreichs und für die Unternehmen in den Weg gebracht. So erwirkte er Steuererleichterungen für Unternehmen und setzte sich für die Sonntagsöffnungszeiten ein.

Das wohl einschlägigste Gesetz Macrons hat sogar seinen Namen geerbt, das Loi Macron. Mit diesem Reformpaket des Arbeitsmarktes war Macron 2015 in das Parlament gegangen, wogegen die franzözische Bevölkerung massiv demonstrierte. Sowohl in den Universitäten als auch auf den Straßen leisteten damals Hunderttausende Widerstand gegen das Gesetzespaket. Aufgrund dieser Proteste wurde das Gesetz zwar leicht abgemildert, jedoch gilt es immernoch als eine Art der Vorstufe zu einer Reform, die der Agenda 2010 mit nichts hinterher hängt.

Sollte Macron beim zweiten Wahldurchgang gegen Marine Le Pen gewinnen, erwartet man, dass er trotz der Proteste 2015 seine Pläne ganz durchsetzen und das Loi Macron wie geplant einführen wird. Somit stellt auch Macron keine Alternative zu der bisherigen Politik dar, im Gegenteil, er war und ist eines seiner härtesten Verfechter und hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, in welche Richtung er Frankreich steuern möchte, sollte er gewählt werden: In eine, dem Kapital dienende Staatspolitik, die im Namen von Reformen Arbeitsrechte aushöhlen und die Unternehmen stärken wird.