Die DIDF Jugend Nürnberg besuchte einen Infostand von Flüchtlingen. Die meisten der Flüchtlinge sind Jugendliche, die getrieben von Krieg, Armut, Zukunftslosigkeit und der Hoffnung in Deutschland ein menschenwürdiges Leben zu führen, aus ihrer Heimat flüchteten. Zu Fuß, zu Schiff und tagelanger Verfolgungen zum Trotz, fanden sie ihren Weg nach Deutschland. Seit mehreren Monaten gibt es bundesweite Aktionen der Flüchtlinge für ein menschenwürdiges Leben in Deutschland.  Zum Beispiel veranstalten sie Infostände, Hungerstreiks und Demonstrationen. In Erfurt wurden sie sogar von Nazis angegriffen. Der Höhepunkt der Aktionen ist ein „Refugee Protest“- Marsch von Würzburg nach Berlin, der vorrausichtlich am 4. Oktober vor dem Bundestag enden soll. Mit diesem Protestmarsch wollen die Flüchtlinge auf das skandalöse deutsche Asylrecht aufmerksam machen. Auf einer ihrer Zwischenstationen zerrissen sie ihre Aufenthaltspapiere, um sie an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu senden. Das Ministerium soll „die Fehler verbessern“, die in ihren Aufenthaltspapieren vorhanden sind. Die Flüchtlinge fordern das Bundesamt auf, ihnen Aufenthaltspapiere zurückzusenden, in denen weder Residenzpflicht, Lagerpflicht, Verbot regulärer Arbeit, noch Essenspakete oder -gutscheine mehr enthalten sind.

Menschen zweiter Klasse

Eine besonders traurige Wahrheit für die meist jungen Flüchtlinge ist ihre rechtliche und finanzielle Situation. Das deutsche Asylrecht macht sie de facto zu Menschen zweiter Klasse, für die nicht dieselben Rechte gelten, wie für den Rest der Gesellschaft. Das größte Hindernis stellt für die Flüchtlinge das absolute Arbeitsverbot. Ihnen ist es nicht gestattet, einer Arbeit nachzugehen. Da sie somit selber kein Geld verdienen können, ist es für die Flüchtlinge unmöglich, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Zwar zahlt der Staat diesen Menschen ein Taschengeld, doch die Summe von 130 Euro im Monat ist ein lächerlich geringer Betrag. Er liegt deutlich unter dem Existenzminimum, also ist nicht ausreichend um die Existenz einer Person zu gewährleisten. Das Bundesverfassungsgericht erklärte am 18. Juli, dass das Asylbewerberleistungsgesetz nicht mit dem Sozialstaatsprinzip und dem Grundrecht auf ein menschenwürdiges Leben vereinbar ist. Die finanziellen Leistungen an Flüchtlinge haben sich seit 1993 nicht erhöht, die Bundesregierung ist nun dazu aufgefordert, ein neues Gesetz zu erarbeiten.

Essenspakete und Residenzpflicht

Damit die Flüchtlinge ihre bescheidene Existenz jedoch wahren können, werden ihnen Essenspakete gegeben. Diese bestehen meist aus qualitativ minderwertiger Ware und entsprechen nur selten den kulturellen Besonderheiten der Flüchtlinge. Ähnlich wie in Gefängnissen können die Flüchtlinge weder aussuchen, was und wann sie essen. Darüber hinaus sind die Asylheime, in denen die Flüchtlinge gehalten werden, meist veraltet, verrostet, verdreckt und oftmals sehr abgelegen. Beinahe jeder Flüchtling im Bundesgebiet wird in Sammelunterkünften untergebracht. Ihre weiteren aufkommenden Kosten, wie Kleidung, Haushalt und Bildung müssen sie aus eigener Tasche aufbringen.

Die Residenzpflicht setzt ihnen unsichtbare Mauern, da sich beim Verlassen eines gewissen Umkreises Strafen zahlen müssen, die bis zu 600 Euro betragen und im schlimmsten Falle auch die Abschiebung zur Folge haben kann. Mit dieser psychischen Angst müssen sie tagtäglich leben.

Integration unerwünscht

Sevim Dagdelen, Bundestagsabgeordnete, äußert sich kritisch zum bestehenden Umgang mit den Asylsuchenden. „Flüchtlingen in Deutschland werden Menschenrechte verweigert. Sie werden systematisch entrechtet und sozial ausgegrenzt. Der Umgang mit Asylsuchenden und Flüchtlingen, denen es trotz der rigiden EU-Grenzpolitik gelingt, in die Bundesrepublik zu gelangen, oder die schon lange als Geduldete hier leben, widerspricht humanitären Grundsätzen und internationalen Verträgen. Die Behörden versuchen alles, um diese Menschen abzuschieben und nichts, um ihnen ein mögliches Bleiberecht zu gewähren. Die Integration von Asylsuchenden und Flüchtlingen in die bundesdeutsche Gesellschaft wird verhindert, ihre individuellen Rechte und Entfaltungsmöglichkeiten werden eingeschränkt und verletzt.“

INTERVIEW

Wir treffen einen jungen streikenden Flüchtling im Hinterraum des Streikzeltes und sprechen über seine aktuelle Situation. Er heißt Jamal, ist 25 Jahre alt und ist nach seinem abgeschlossenen Chemie–Studium aus dem vom Krieg zermürbten Afghanistan geflohen. Seit Januar 2012 lebt er nun in Deutschland

Kannst du uns berichten, wieso du nach Deutschland geflohen bist?

Jamal: Es fällt mir schwer, viel darüber zu sagen. Zum einen ist es einfach unglaublich schwierig, in einem Kriegsgebiet zu leben. Dein Leben ist tagtäglich bedroht. Seit Anfang des Krieges sind Zehntausende Menschen in meinem Heimatland gestorben. Mein Leben war aber besonders bedroht. Der Krieg in Afghanistan wird unter anderem mit einem Mandat der UNO geführt. Ich habe in Afghanistan für die UNO gearbeitet. Viele meiner Landsleute, aber vor allem die Taliban, sahen dies als Verrat an.

Warum streikst du?

Jamal: Ich kämpfe hier gemeinsam mit anderen jungen Flüchtlingen für ein menschenwürdiges Leben. Wir wollen die Abschaffung der Residenzpflicht, die Beschleunigung des Asylverfahrens, die Abschaffung der Essenpakete, der Asylheime und die Einführung des Arbeitsrechts für alle Flüchtlinge.

Ich finde es eine Lächerlichkeit, dass besonders der Innenminister von Bayern meint, es gäbe in Afghanistan keinen Krieg und wir könnten wieder zurück. Dies ist gelogen. In Afghanistan herrscht immer noch Krieg. Jeden Tag sterben unschuldige Kinder. Man muss flüchten. Den Menschen geht es schlechter, als jemals zuvor, obwohl es immer wieder heißt, dass sie uns die Demokratie gebracht und befreit hätten.

Hier geht es um einen Krieg zwischen West und Ost, das Volk kann nichts dafür. Die westlichen Staaten haben meine Heimat zu einer Hölle verwandelt. Dieser Krieg wird durch Waffenproduktion in Deutschland unterstützt. Sie machen ein sehr großes Geschäft dadurch. Allein 2011 wurden 6,66 Billionen Dollar durch Waffenhandel gemacht. Diese Staaten sind Schuld an den Zuständen in meinem Land. Wir flüchten mit der Hoffnung, ein menschenwürdiges Leben in Deutschland führen zu können. Doch leider geht es hier weiter mit der Unterdrückung .Es wird keinerlei auf Menschenrechte geachtet, die Rechte uns weiterzubilden, um Deutsch zu lernen, werden uns weggenommen. Wir leben in schlimmen Verhältnissen in den Asylheimen. Ich möchte  mich bei allen Menschen und Organisationen bedanken, die uns auf unserem Kampf unterstützen und wir werden das nie vergessen.

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Bis Mitte der 1980er Jahre war die Zahl der Asylbewerber gering. In der Zeit von 1985 bis zum Höhepunkt 1992 stieg die Zahl der Asylbewerber in der EU von ca. 160.000 im Jahr 1985 auf ca. 672.000 im Jahr 1992 an. Die Asylbewerber kamen Anfang der 1990er Jahre vor allem aus den sich im Krieg befindenden Ländern des ehemaligen Jugoslawien. Aufgrund des Asylkompromisses und dem Ende des Bürgerkrieges sanken die Zahlen seitdem kontinuierlich. Zum Stichtag 31. Dezember 2009 waren im Ausländerzentralregister (AZR) 51.506 Personen mit einer Asylberechtigung erfasst. Weitere 34.460 Menschen waren erfasst, denen eine Aufenthaltsgestattung als Asylsuchende erteilt wurde. Die Zahl der registrierten Menschen mit Flüchtlingsschutz betrug 67.585. Zudem waren zu dem Stichtag 24.839 Menschen mit einem Aufenthaltstitel erfasst, die aufgrund bestimmter Abschiebungsverbote erteilt werden.

In einer Presseerklärung am 24.01.2012 hatte der Bundesinnenminister Friedrich folgendes gesagt: „Asyl und Flüchtlingsschutz genießen in Deutschland zu Recht einen hohen Stellenwert. Die Bundesregierung wird deshalb auch in Zukunft ihre verantwortungsbewusste Asyl- und Flüchtlingspolitik fortsetzen. Ziel dieser Politik ist es, tatsächlich Verfolgten großzügig Schutz zu gewähren, gleichzeitig aber Missbrauch und Fehlentwicklungen entschieden entgegenzuwirken.“

Von den 45.741 Menschen, die 2011 Asyl in Deutschland beantragten, wurden 23.717 Personen (54,7 Prozent) abgelehnt.

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Deniz Bahadir, Bahar Güngör

Quellen: wikipedia und http://www.bmi.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2012/01/asylzahlen_2011.html