yasar atan griechische mythologieYaşar Atan ist Journalist und Autor mehrerer Bücher und Untersuchungen über die griechische Mythologie. Wir hatten die Möglichkeit, mit ihm ein Gespräch zu führen.

Neues Leben (NL): In einer Kolumne schreiben Sie, dass Apollon voller Zorn ausgerufen habe: “Lasst uns die Kriege beenden!” nachdem Achilleus die Leiche des troyanischen Kommandanten Hektor von einem Pferd über den Erdboden hatte schleifen lassen.

Yaşar Atan (YA): Im Trojanischen Krieg gab es zwei Helden: Den Achilleus auf griechischer Seite, ein Halbgott und ungeheuer stark und auf trojanischer Seite Hektor, dessen Eltern normalsterbliche Menschen sind. Achilleus hat auf seinen Antagonisten, den er an einer Reihe von Umständen für schuldig spricht, eine ungeheure Wut. Deshalb bindet er die Leiche des Hektor, nachdem er ihn getötet hat, hinten an seinen Streitwagen und schleift in einige Male um die Mauern von Troya. Das entsetzt nicht nur die Menschen, sondern bringt ihm auch den Zorn einiger Götter, darunter den des Apollon und der Aphrodite, ein. Angesichts dieser Rohheit kommen die Götter noch vor den Menschen zu der Einsicht, dass es besser sei, die Kriege zu beenden.

Aphrodite und Apollon sind dafür, den Krieg zu beenden, die Kämpfe gehen jedoch weiter, denn da gibt es noch den allmächtigen Zeus. Wenn der den Krieg will, geht es nach seinem Willen. Dieser Krieg gereicht aber auch ihm nicht zum Vorteil. So fallen beispielsweise sein Sohn und einige seiner Günstlinge im Trojanischen Krieg. Deshalb sind die Menschen gezwungen, von Kriegen Abstand zu nehmen. Denn solange es Kriege gibt, haben Menschlichkeit und Zivilisation keine Chance. Einen Zustand, in dem es keinen Krieg gibt, in der Gerechtigkeit herrscht und die erwirtschafteten Güter brüderlich geteilt werden, bezeichnen wir als „Goldenes Zeitalter“. Früher oder später werden wir dieses Ziel erreichen. Denn auch wenn die Menschheit auch immer wieder strauchelt, ist der Weg dennoch der richtige. Dem Menschen sind die Kraft und der Geist dazu gegeben.

Natürlich gibt es Herrscher, die mit den Göttern gemeinsame Sache machen. Dazu ein kleines Beispiel. Präsident Bush sprach vor dem Irakkrieg mit seinem Gott, der ihm sagte, er soll dem Irak den Krieg erklären. „Und ich tat, wie mir geheißen“, teilte er der Presse mit. Schon vor Tausenden von Jahren erklärten die damaligen Könige, von ihren Göttern den Befehl zum Krieg erhalten zu haben und dass sie nur deshalb in den Krieg zögen. Wir wünschen uns Herrscher, die sich gegen Kriege entscheiden, sodass eine gewaltfreie Welt entstehen kann.

NL: Bei der Vorstellung Ihres Buches „Akdeniz Mitologyasından Efsaneler“ schreiben Sie, dass die Geschichten den Menschen auf seinem Weg ins „Goldene Zeitalter“ begleiten. Gibt es in den Mythen Beispiele für das „Goldene Zeitalter“ indem Gerechtigkeit herrscht.

YA: Die Sagen sind den Menschen Hilfe auf ihrem Weg ins “Goldene Zeitalter”. Ich meine damit, dass die Schriftsteller, Dichter und Maler sie nutzen, sich von ihnen inspirieren lassen. Ihre Werke sind den Menschen Ratgeber auf ihrem Weg in die Zivilisation. Kurz gesagt, geben sie den Menschen einen Eindruck vom „Goldenen Zeitalter“ und ein Gefühl dafür, wie schön diese Welt sein kann. So leiten sie sie letztendlich dorthin.

Prometheus hat den Menschen aus Lehm geformt. Den Befehl dazu hatte er von Zeus erhalten. Dem Befehl zum Trotz stattete Prometheus das Gehirn des von ihm erschaffenen Menschen mit Intelligenz aus und versah ihn mit verschiedenen Talenten. Er gab ihnen auch noch das Feuer, damit es ihre Welt erleuchte und sie das „Golden Zeitalter“ bequem finden könnten. Aber als Zeus dessen gewahr wurde, nahm er ihnen das Feuer wieder. Denn der wollte die Menschen in Unwissenheit und Sklaverei halten. Prometheus aber stahl das den Menschen vorenthaltene Feuer einige Zeit später wieder und gab es den Menschen zurück. Nun konnte Zeus das Feuer nicht mehr zurückholen. Es hatte die Menschen erfasst wie eine ansteckende Krankheit. Also schmiedete Zeus den Prometheus zur Strafe mit Ketten an einem Felsen fest. Nun werden die Götter das Feuer, dass in den Menschen brennt, nie wieder zurückholen können. Solange dieses Feuer in den Menschen brennt, wird es ihnen den Weg in das „Goldene Zeitalter“ weisen.

NL: Warum sollte man sich Ihrer Meinung nach mit der Mythologie beschäftigen?

YA: Die Jugend ist unser kostbarstes Gut. Dass ihnen die Mythen und dergleichen andere Dinge fremd bleiben ist absolut unverzeihlich. In Europa und Amerika, meint in der sogenannten zivilisierten westlichen Welt, durchdringt die Mythologie heute sämtliche Bereiche der Bildung und der Kultur. Außerdem spielen die Mythen eine Rolle im Alltag. Plätze und öffentliche Gebäude in Europa sind mit Götterstatuen reich beschmückt. Die Musik, die Malerei und andere Kunstbereiche beziehen ihre Inspirationen aus der Mythologie. In den Schulen im Westen findet man die Mythologie im Kunst- und Geschichtsunterricht. Den Menschen im Westen sind alle wichtigen Helden aus der Mythologie Kleinasiens nicht unbekannt. Es ist wünschenswert, das unsere gesamte Jugend mit unserem Kulturerbe genauso vertraut wird, wie die Jugend in Europa.

Zuhal Okçu