20140302-free-tradeStändig wollen uns die Herrschenden über die von ihnen kontrollierten Medien weißmachen, dass vermehrter Handel allen zugutekommt. Deswegen sollen alle „Handelshemmnisse“ abgebaut werden.

Doch die Erfahrung zeigt: „Vom unregulierten Freihandel profitieren vor allem die Starken und Mächtigen.“ (ver.di). Dies trifft vor allem auf die landwirtschaftliche Produktion zu, wo einheimische Produzenten zugunsten der Agrarindustrie kaputtgemacht werden.

Mindestens genauso schlimm ist der Abbau sogenannter nicht-tarifärer Handelshemmnisse. Hier sollen Schutzrechte von Verbrauchern, aber auch von Lohnabhängigen abgebaut werden. So können Investoren auf Abschaffung von Arbeitsschutzrechten klagen oder sie können bei gesetzlichen Regelungen zum Gesundheitsschutz auf entgangene Profite klagen!

Am dramatischsten sind deswegen die sogenannten Investitionsschutzabkommen solcher Freihandelsverträge: Bei TTIP ist vorgesehen (DGB-Papier zum Investitionsschutz (7.7.2014):

  • Spezielle Klagerechte für Investoren gegen Staaten im Rahmen des Investor to State Dispute Settlement (ISDS) ermöglichen eine Umgehung der ordentlichen nationalen Gerichtsbarkeit (weshalb der DGB ISDS auch grundsätzlich ablehnt).
  • Ungenaue Definitionen von Ansprüchen der Investoren, wie „faire und gerechte Behandlungen“ oder Kompensation bei „indirekter Enteignung“ führen dazu, dass beliebige staatliche Regulierungen als Verstoß gegen diese Investorenansprüche gewertet werden.
  • Die Schiedsrichter, die über die Fälle entscheiden, haben unter Umständen Interessenkonflikte, weil sie zum Teil an anderer Stelle als Anwälte von Investoren auftreten.
  • Die Verfahren bei ISDS sind absolut intransparent“ [weil geheim tagend].

Aufgrund der auch in den Gewerkschaften aktiv laufenden Diskussionen hatte sich der IG Metall-Vorsitzende Wetzel im FR-Interview (4. März 2014) ganz klar geäußert und kam zu dem Schluss: „Freihandelsabkommen sofort stoppen.“

Und vor diesem Hintergrund hat auch der DGB-Bundeskongress im Mai sich in einer Resolution klar positioniert:
„Aufgrund dieser Befürchtungen müssen die bisherigen TTIP-Verhandlungen ausgesetzt werden und eine andere Zielsetzung bekommen. Die Aussetzung soll dazu genutzt werden, einen transparenten Verhandlungsauftrag der Europäischen Union neu zu bestimmen, um damit einen grundsätzlichen neuen Ansatz in der globalen Handelspolitik zu etablieren. Im Mittelpunkt muss dabei stehen, eine faire Gestaltung von Handelsbeziehungen und damit einen gerechten politischen Ordnungsrahmen für die Globalisierung im Interesse der Beschäftigten und der Verbraucher zu schaffen, anstatt durch Marktliberalisierung und Deregulierung allein den Wettbewerbsdruck zu erhöhen.“

Auch danach hat der DGB offiziell bisher seine ablehnende Position nicht aufgegeben. In Vorbereitung des SPD-Konvents vom 20. 9. brauchte der Vorsitzende Gabriel – der als Wirtschaftsminister die Verhandlungen in Brüssel führt – offensichtlich Unterstützung. Denn viele Mitglieder an der Basis sind inzwischen höchst unzufrieden mit den geheim geführten Verhandlungen und den bisher durchgesickerten Ergebnissen.

SKANDALÖSE UNTERSTÜTZUNG DURCH DGB-FÜHRUNG
Ausgerechnet in dieser Situation gibt sich die DGB-Führung (unlegitimiert) dazu her, Gabriel beizuspringen. Sie unterzeichnete zwei Tage vor dem Parteikonvent ein gemeinsames Papier mit dem Wirtschaftsministerium und sät Illusionen über den Grundcharakter des angestrebten Abkommens. Es werden zwar ein paar Forderungen aufgestellt, die erfüllt werden sollen, aber die grundsätzliche Zustimmung zu solchen Verhandlungen wird klar zum Ausdruck gebracht.

In dem gemeinsamen Papier heißt es: „Das Abkommen könnte auch dazu beitragen, faire und nachhaltige Handelsregeln global voranzutreiben und Maßstäbe zu setzen. Es geht darum, zusätzlichen Wohlstand tatsächlich breiten Bevölkerungsschichten zukommen zu lassen, wirtschaftliche, soziale und ökologische Standards zu verbessern, sowie faire Wettbewerbs- und gute Arbeitsbedingungen zu schaffen.“

Am Ende heißt es: „Das Abkommen steht unter dem Zustimmungsvorbehalt des Europäischen Parlaments, des Rates und auch unter dem Zustimmungsvorbehalt der 28 nationalen Ratifizierungsprozesse. Dies zeigt: Ein TTIP, das die Interessen der europäischen Bürgerinnen und Bürger nicht berücksichtigt, darf und wird es nicht geben.“

Haben denn die Parlamente schon jemals die Interessen der Lohnabhängigen verteidigt?
Mit dieser Besänftigungspolitik wird die Entwicklung gewerkschaftlichen Widerstands gegen die Abkommen TTIP, Ceta (mit Kanada) usw. nicht gerade erleichtert. Aber es gibt weiterhin gute Chancen, den Widerstand zu verbreitern. So hat z. B. die IG Metall am 18. 9. geschrieben: „Bedenken von der IG Metall und anderen Gewerkschaften konnten in einem Konsultationsverfahren zum Investitionsschutzkapitel geäußert werden. Fakt ist jedoch, dass grundsätzliche Mängel nicht beseitigt wurden.“

Und zum Investitionsschutz: „Was das heißt, zeigt die Klage einer französischen Firma gegen Ägypten, wo der gesetzliche Mindestlohn erhöht werden soll. Bekommt der Investor vor einem Schiedsgericht Recht, muss er letztlich vom Steuerzahler entschädigt werden. Auch beim geplanten Abkommen der EU mit Kanada (CETA) ist ein solcher Investitionsschutz vorgesehen.“

„Wir lehnen jede Art von Investitionsschutzabkommen ab und erwarten, dass alle ILO-Kernarbeitsnormen von der US-Seite unterzeichnet werden. Ist auch nur einer dieser Punkte zweifelhaft, sagt die IG Metall „Nein“ zu den TTIP-und CETA-Verhandlungen.“ Es genüge nicht, wenn „versichert“ werde, Arbeits- und Sozialstandards seien nicht Gegenstand der Verhandlungen, sie stünden nicht zur Disposition, und es würde keine Verschlechterung geben! Fakt ist: Handelsliberalisierung führt zu mehr Wettbewerbsdruck auch und gerade auf Arbeits- und Sozialstandards.“

„Die IG Metall erwartet, dass die Bundesregierung den aktuellen Entwurf zum Handelsabkommen CETA mit Kanada ablehnt und dies auch auf EU-Ebene durchsetzt. Das ist die Nagelprobe für die Glaubwürdigkeit der Vereinbarung.“

Gerade an der Basis wächst der Widerstand. Auf der IGM-Delegiertenversammlung am 20.9. in Stuttgart gab es vom dortigen 1. Bevollmächtigten Uwe Meinhardt scharfe Kritik an der Äußerung des DGB-Vorsitzenden Hoffmann, und dass es wohl nicht sein kann, der SPD durch so eine Äußerung ihren Parteitag zu retten. Von Stuttgarter DGB-Seite hörte man, dass auch dort in der örtlichen Vorstandssitzung nächste Woche eine Erklärung gegen die Äußerung von Hoffmann verabschiedet werden soll.

Wichtig ist, dass wir in den Gewerkschaften nicht nur Protestresolutionen verfassen, sondern die einzelnen Gliederungen dazu aufrufen, sich dem breiten Bündnis „TTIP un-fair-handelbar“ anzuschließen und aktiv gegen diese geplanten Abkommen zu mobilisieren.

Jakob Schäfer, Mitglied im Arbeitsausschuss
der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken

TIPP:
Nähere Infos zu den Freihandelsabkommen und zum Widerstand unter: www.ttip-unfairhandelbar.de