Im Jahre 2012 versprach die Bundeskanzlerin Angela Merkel die vollständige Aufklärung des NSU-Komplexes. Am 11. Juli 2018 kam dann das Urteil im entsprechenden NSU-Prozess: die Hauptangeklagte Beate Zschäpe wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe mit der besonderen Schwere der Schuld verurteilt. Ralf Wohlleben wurde wegen Beihilfe zum Mord durch die Beschaffung der Waffen für den NSU zu zehn Jahren Haft verurteilt und auch Holger G. und Andre E. erhielten eine Haftstrafe wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung von drei bzw. zwei Jahren und sechs Monaten. Der letzte Angeklagte Carsten S. wurde wegen Beihilfe zum Mord in neun Fällen zu drei Jahren Jugendstrafe verurteilt, weil er zur Tatzeit noch minderjährig war.

Es wurden über 600 Zeugen und Sachverständige gehört, viele wichtige Akten wurden vernichtet und weitere Prozessakten für 120 Jahre weggesperrt. Für die Behörden ist der Fall damit erst einmal vom Tisch. Doch wir sagen: noch ist überhaupt nichts aufgeklärt!

Zum Hintergrund: Von 2000 bis 2011 wurden 10 Menschen aus rassistischen Motiven brutal ermordet. Zuerst wurde den Opfern kriminelle Machenschaften vorgeworfen, bis im Jahre 2011 das Bekennervideo von dem angeblichen „NSU-Trio“ veröffentlicht wurde. Bis dahin wurden die Opfer von den Medien als Schuldige dargestellt. Von Anfang an wurden die Familien und Hinterbliebenen mit den beschämenden Fahndungsmaßnahmen der Polizei schikaniert und kriminalisiert. Rassistische Begriffe wie „Dönermorde“ waren tagtäglich in den Schlagzeilen. Die Opfer wurden zu Tätern gemacht, die eigentlichen Täter wurden geschützt. Denn es war der Verfassungsschutz, der Informationen über den NSU nicht an die Polizei weitergegeben hat und damit das Morden weiter mit ermöglichte. Mehr noch, bis heute ist noch immer nicht aufgeklärt, wie viele Personen im Umfeld des NSU möglicherweise für den Verfassungsschutz gearbeitet haben. Denn über Jahre hinweg war es ihnen möglich eine bundesweite geheime Struktur aufzubauen, Waffen zu besorgen, gezielt Migranten zu ermorden und gleich daraufhin unterzutauchen bis zum nächsten Mord!

Das Urteil im NSU-Prozess ist ein historischer Moment. Es zeigt mit aller Deutlichkeit, dass der Staat der Bundesrepublik Deutschland und seine Organe nicht an einer Aufklärung von rechtsextremen Strukturen in Deutschland interessiert sind und alle mögliche versuchen um diese Strukturen zu schützen. Gleichzeitig gibt es uns das Signal: kein Vergessen, kein Vergeben!

Den Kampf gegen den Rassismus in Deutschland müssen wir weiterhin selbst in die Hand nehmen! Rechtes Gedankengut ist schon lange kein Hemmnis mehr in unserer Gesellschaft. Auf dem Nährboden, den Thilo Sarrazin, Horst Seehofer usw. geschaffen haben, indem sie die vorurteilsbeladene Sprache wieder etablierten, sprießen nun neben dem NSU munter die Erzeugnisse in Form von AfD oder PEGIDA. Ein zweites Verbotsverfahren gegen die rassistische NPD ist erst zu Beginn des letzten Jahres erneut gescheitert. Die Entwicklung nach Rechts, der Einzug der AfD in den Bundestag und die zahlreichen rassistischen Angriffe erfordern, dass wir den Rechtsruck bekämpfen müssen. Dafür müssen wir die gemeinsamen Interessen der Menschen in den Vordergrund, überall wo wir arbeiten und leben: im Betrieb und im Stadtteil, in der Schule und der Universität. Denn es ist das gemeinsame Interesse an guter Arbeit, guter Bildung und einer lebenswerten Zukunft in Deutschland die uns alle eint. Und je enger wir für diese Forderungen zusammenstehen, desto schwieriger wird man uns in Ethnien oder Religionen spalten können! Um so stärker sind wir gegen jede Form des Rassismus: von CSU und AfD über Organisationen wie PEGIDA bis hin zu rechtsextrem Terrororganisationen wie den NSU!

Die DIDF-Jugend hat auf ihrer diesjährigen Bundeskonferenz die Kampagne „Kein Vergessen! Rassismus bekämpfen, NSU aufklären.“ ins Leben gerufen. Mit dieser Kampagne wollen wir wieder das Bewusstsein für die Themen „NSU“ und Rassismus in der Gesellschaft wecken, aufklären und das aussprechen, was die Politik und die Medien bewusst verschweigen! Weitere Informationen zur Kampagne und die Sonderausgabe der Zeitschrift „Junge Stimme“ zur Kampagne findet ihr unter: didf-jugend.de/kein-vergessen