Die Wahlen in der Türkei beschäftigen aktuell viele Menschen. Nicht nur im Land selbst, sondern auch in den Ländern, in denen viele Türkeistämmige leben. Erneut werden Wahlurnen in vielen europäischen Ländern aufgestellt. Darunter die meisten in Deutschland, wo zwischen dem 27. April und dem 9. Mai etwa 1,4 Millionen Menschen zur Wahl aufgerufen sind. Die damit verbundenen Diskussionen und die Polarisierung in der Türkei spiegelt sich auch in Deutschland wider. Diese Wahlen werden für die Zukunft der Türkei entscheidend sein. Aber auch für unser Zusammenleben hier in Deutschland sind diese Wahlen besonders wichtig. Denn es werden auch viele Jung- und Erstwähler an die Urnen gerufen.

Als türkeistämmige Jugendliche teilen wir die Sorgen der arbeitenden Jugend auch in der Türkei. Die junge Generation in der Türkei kennt kaum eine Zeit ohne den Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und seine adalet ve kalkinma partisi (AKP). Seit Jahren leidet die arbeitende Bevölkerung unter der immer größeren Armut und nun auch der hohen Inflationsrate. Junge Menschen sind dabei besonders betroffen: sie haben kaum Perspektive auf gute Arbeits-, Lern- und Lebensbedingungen in der Türkei. Das Erdbeben und das damit verbundene kalkulierte Versagen auf Kosten von Zehntausenden Menschenleben hat noch einmal gezeigt, dass die türkische Regierung in erster Linie die Interessen der Reichen, wie z.B. der Eigentümer der Baukonzerne, vertritt und die Zukunftssorgen der Jugend in der Türkei mit Füßen tritt. So zum Beispiel auch als nach dem Erdbeben Tausende Studierende aus ihren Wohnheimen und in die digitale Lehre vertrieben worden sind, während die Regierung die leeren Zimmer großer Hotelketten unangetastet ließ. Die türkische Regierung, aber auch manche der angeblich oppositionellen Parteien, versuchen von diesen Problemen durch religiöse oder rassistische Propaganda abzulenken und die Menschen in der Türkei gegeneinander aufzuhetzen. Die mangelnden Zukunftsaussichten, religiöse und rassistische Polarisierung, ein Klima der Gewalt und insbesondere die Unterdrückung der Frau nimmt der Jugend in der Türkei die Luft zum Atmen. 

Die Wahlen nehmen in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle ein: viele Menschen, insbesondere Jugendliche, setzen viel Hoffnung auf den Tag der Wahl und damit einer möglichen Abwahl des Präsidenten Erdogan. Schon jetzt sehen wir auf Social Media die Stimmen vieler Jugendlicher, wenn Erdogan die Wahl gewinnt, aus dem Land auszuwandern. Die Jugend sehnt sich nach einer Veränderung. Ein wichtiger Schritt zur Veränderung geht unter anderem über eine starke Stimme für Demokratie und Frieden im Parlament. In diesem Sinne rufen wir zur Wahl der grünen Linkspartei (yesil sol parti), der die Parteien des Bündnisses von Arbeit und Freiheit angehören. Gleichzeitig rufen wir auch dazu auf, dafür den Präsidentschaftskandidaten Kemal Kilicdaroglu zu wählen.

Die Abgabe der Stimme ist notwendig und richtig, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch viele Kämpfe zu führen gibt. In diesem Sinne unterstützen wir das Bündnis für Arbeit und Freiheit (emek ve özgürlük ittifaki) als Bündnis fortschrittlicher Kräfte: türkische und kurdische Arbeiter:innen, Frauen, Jugendliche, Geflüchtete und weitere Gruppen – nicht nur als Wahlbündnis, sondern als Bündnis für den weiteren Kampf zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen, der Pressefreiheit und gegen die Unterdrückung der Frau in der Türkei. Wir teilen die Sorgen und den Mut der arbeitenden Menschen in der Türkei – insbesondere der Jugend – für eine besserer Zukunft. In diesem Sinne: hoch die internationale Solidarität!