Von Tugba Bakirci
Am 20. September soll weltweit für Klimaschutz gestreikt werden.
Wir haben mit Jensen, 25 Jahre alt und aktiv bei „Students for Future Köln“ und Jana, 17 Jahre alt und aktiv bei Fridays for Future gesprochen.
Die Schülerproteste gehen schon fast ein Jahr lang. Wie kam es dazu?
Jana:
Ich denke, der Erfolg der Proteste lässt sich auf mehrere Dinge
zurückführen. Ich denke, dass Klimaschutz und Politikversagen für
viele meiner Generation auch schon vor Fridays for Future ein
wichtiges Thema war, da die wenigsten Parteien sich tatsächlich für
die Belange der jungen Menschen interessieren. Doch der Bewegung
Fridays for Future hört man zu, eben weil wir bewusst die
Schulpflicht missachten und uns selbst dazu ermächtigen, jede Woche
demonstrieren zu gehen.
Auch wenn realpolitisch bisher nichts
passiert ist, war es plötzlich unsere Bewegung, die die Schlagzeilen
beherrscht hat und die man gehört hat. Plötzlich war es unsere
Bewegung, die die Debatte in diesem Land in Richtung Klimaschutz
verschoben hat. Das hat ganz vielen jungen Menschen das Gefühl
gegeben, etwas am Status quo verändern zu können.
Jensen: Auch wenn natürlich alle Menschen und Altersgruppen von den katastrophalen Auswirkungen der Klimakrise betroffen sein werden, so sind es dennoch die jungen Menschen, die den beträchtlichsten Teil ihres Lebens mit der Krise zu leben haben werden. Kinder und Jugendliche hatten in den gesellschaftlichen und politischen Debatten in Deutschland bisher kaum ein Mitspracherecht – dass sie über Fridays for Future nun eine eigene Stimme bekommen haben war längst überfällig. Dass ihre Stimme nun immer lauter wird, ist ein großer Erfolg und zeigt, dass offenbar die richtigen Themen angesprochen werden.
Wie ist das Interesse bei eurer Zielgruppe für dieses Thema?
Jensen: Das Bewusstsein für die Klima-Problematik ist im vergangenen Jahr glücklicherweise in der ganzen Gesellschaft gestiegen. Das gilt natürlich auch für unsere Altersgenossen. Ich erlebe in meinem Umfeld immer wieder, wie oft die alltäglichen Gespräche um das Klima-Thema kreisen. Uns muss bewusst sein, dass wir uns in einem Generationenkonflikt befinden. Und da fühle ich mich mit meinen 25 Jahren den Interessen jüngerer Generationen weitaus mehr verbunden, als der Lebensrealität vieler Erwachsener.
Wie
bewerten andere deinen Aktivismus?
Jana: Meine Schule war
glücklicherweise bisher immer positiv gegenüber den Klimastreiks
eingestellt. Tatsächlich unterstützen sie diese sogar und ich habe
einen positiven Kommentar auf meinem Zeugnis bekommen, aufgrund
meines Engagements. Die Strategien, die verschiedene Schulen im
Umgang mit den Streiks pflegen, sind sehr unterschiedlich.
Die
Reaktionen von Seiten meiner Mitschüler sind natürlich
unterschiedlich – grundsätzlich aber auch sehr positiv. Meistens
sind sie sehr begeistert, wenn sie mich mal in der Presse sehen und
vor kurzem hat eine Mitschülerin mir sogar gesagt ich sei ‚ein
Vorbild für die ganze Stufe‘. Das hat mich schon glücklich gemacht.
Viel wichtiger ist mir aber, dass seit FFF existiert, viel mehr über
das Thema Klimaschutz geredet wird an meiner Schule.
Verschiedene
Kräfte versuchen, die Bewegung mitzulenken. Wie bewertest du das?
Jana:
Ich denke, die Tatsache, dass beispielsweise große Unternehmen
immer häufiger den Wortlaut ‚for future‘ in ihren Werbekampagnen
einfließen lassen, oder dass die Wirtschaftslobby INSM jetzt unter
dem Deckmantel des Klimaschutzes eine ‚Anti-Klimaschutz-Kampagne‘
fährt, ist als durchaus positiv zu bewerten. Weil es zeigt, wie
erfolgreich unsere Bewegung geworden ist.
Ich denke, dass solche
Kampagnen, wie beispielsweise die von der INSM deutlich machen, dass
die großen Konzerne Angst vor einer wachsenden
Klimagerechtigkeitsbewegung haben. Weil sie wissen, dass ihre
Konzerne von effektiven Klimaschutzmaßnahmen betroffen wären. Es
ist unsere Aufgabe, klar herauszustellen, wer unsere Verbündeten im
Kampf für Klimagerechtigkeit sind und wer nicht und uns dann von
‚Big Playern‘, die nicht zu unseren Verbündeten zählen nicht
vereinnahmen zu lassen.
Warum sollte man am 20. September streiken?
Jensen: Als Studierende und Menschen in der Ausbildung zählen wir uns natürlich auch zu den „jüngeren“ Teilen der Gesellschaft. Dementsprechend ist unser Interesse an einem wirksamen Klimaschutz genauso hoch, wie bei den Kindern und Jugendlichen. Zudem haben viele von uns auch die Erfahrung gemacht, mit unseren Anliegen bei der Politik auf taube Ohren zu stoßen. Umso wichtiger ist es, dass wir jetzt unser Recht auf ein würdevolles Leben auch für die kommenden Generationen mit allem Nachdruck einfordern. Dazu gehört natürlich nicht nur die Teilnahme an dem Großstreik am 20. September, sondern auch alles, was danach kommt. Zusätzlich zum Klimaschutz fordern wir auch von den Universitäten einen vernünftigen Umgang mit der Krise ein. Forschung sollte unserer Meinung nach in erster Linie dem Gemeinwohl dienen und keinen Unternehmen oder militärischen Interessen. Da muss sich einiges ändern.
In
den meisten Orten steht FFF nicht für sich allein, sondern ist ein
Teil unterschiedlicher sozialer Bewegungen.
Jana:
FFF stand meiner Meinung nach nie für sich allein, sondern war schon
immer Teil einer riesengroßen Klimagerechtigkeitsbewegung, die aus
vielen verschiedenen Akteuren bestand. Aber auch neben dem
Klimaschutz können soziale Fragen nicht losgelöst von ökologischen
Fragen gedacht werden. Deshalb gibt es bei der Demo in Köln am 20.
September auch verschiedene thematische Blöcke, die alle unter dem
Aspekt Klimaschutz demonstrieren.
Dies hat meiner Meinung nach
mehrere Gründe: Zum einen, sind alle sozialen Fragen eng mit der
Frage nach Klimagerechtigkeit verknüpft, weil soziale
Ungleichheiten, Flucht, Krieg etc. durch eine deregulierte Klimakrise
weiter verstärkt werden. Andererseits ist die Ursache der
ökologischen und sozialen Probleme, die wir auf der Welt haben
meiner Meinung nach die gleiche. Ein Wirtschaftssystem, in dem die
Mentalität herrscht, dass Geld und Profit über allem steht. Ich
denke, diese Mentalität ist der Grund dafür, dass die Politik die
existentielle Klimakrise nicht mit allen Mitteln bekämpft. Weil
kurzfristige Wirtschaftsinteressen schon immer über Umweltinteressen
angestellt wurden.
Gleichzeitig ist diese Mentalität auch Ursache
von sozialen Ungleichheiten, Hunger und Krieg.
Ich denke, es ist
deshalb notwendig unsere Wirtschaftsweise radikal zu transformieren,
wenn wir die Doppelkrise von sozialer Ungerechtigkeit und
ökologischen Problemen gleichzeitig lösen wollen.
Wie geht es weiter?
Jensen: Die Klimaproteste werden so schnell nicht mehr verschwinden. Ich sehe aktuell leider kaum eine Chance, dass die notwendigen politischen Maßnahmen ergriffen werden. Und so lange es diese Maßnahmen nicht gibt, besteht kein Grund, den Protest einzustellen. Die, die schon mitmachen, werden weiter machen. Und jeden Tag begreifen auch andere Menschen, dass dies ein Kampf ist, den es zu kämpfen lohnt. Im Kampf für Klimagerechtigkeit geht es um viel mehr, als die bloße Reduktion von Emissionen. Die ganze Menschheit sitzt im selben Boot und vor der größten Aufgabe, die sie bisher zu lösen hatte. Ohne eine wahre, globale Solidarität miteinander wird das nichts. Somit ist für uns der Kampf gegen den Klimawandel selbstverständlich auch ein Kampf gegen Rassismus, soziale Ungleichheit und Ausbeutung jeglicher Art.
Jana:
Ganz abzusehen ist das nicht. Natürlich ist unser
Anspruch, weiterzustreiken, bis die Politik endlich handelt. Mit
unseren Forderungen berufen wir uns auf das völkerrechtlich bindende
Pariser Klimaabkommen und das damit verbundene 1,5 Grad-Ziel, das
unbedingt eingehalten werden muss, wenn nicht verschiedene Kipppunkte
übertreten werden sollen, die eine unkontrollierbare Erderwärmung
nach sich ziehen würden.
Die Hauptforderung an die Politik auf
Bundesebene ist Klimaneutralität bis 2035. Zu diesem Zeitpunkt
dürfen nicht mehr Treibhausgase produziert werden, als durch
natürliche Prozesse aufgenommen werden können. Auf lokaler Ebene
fordern wir unter Anderem einen kostenlosen ÖPNV, den Verbot von
Einwegplastik und ein politisches Streikrecht für alle. Solange
diese Forderungen nicht umgesetzt werden, bleiben wir politisch
aktiv.
Ich persönlich denke, dass diese Forderungen nicht eben so
umgesetzt werden, sondern dass auf der anderen Seite unseres Protests
zwangsläufig eine Welt stehen muss, in der wir radikal anders leben
und wirtschaften, als wir das heute tun. Weil dies der einzige Weg
ist, wie wir im Einklang mit der Natur überlebensfähig sind.
Kommentare von Tuğba Bakırcı